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„Ich bin gewiss…“ (Röm.8,39)

So weit entfernt, trostlos, gottverlassen? Traurige Worte gäbe es genug, für diese Geschichte. Klar, sie erzählt ja auch vom Ende eines Lebens. Aber ‚trostlos‘ und ‚gottverlassen‘, das wären ebenso falsche Worte, wie sie richtig erscheinen, für diese Ostererzählung in Corona-Zeiten.

David war im Februar nach Deutschland gekommen. Hier hatte er vor langer Zeit studiert. Hier, so hoffte David, würde man ihm vielleicht doch noch helfen können. Seine Lage war ernst, aber in Deutschland gibt es gute Krankenhäuser, gute Ärzte. Deutschland! Wenn man aus dem Herzen Afrikas stammt, vermischen sich im Klang des Landesnamens wunderbare Hoffnungen und nüchterne Realität. David hat gewusst, der Flug nach Deutschland könnte sein letzter Flug sein, aber die Hoffnung auf eine Rettung ist stärker gewesen.

Einige Wochen später ist David dann doch gestorben. Auch deutsche Ärzte erfüllen nicht jede Hoffnung auf ein Wunder.

Doch was nun? Inzwischen war die Corona-Pandemie weltweit ausgebrochen. Einen Flug, um David nach Hause zu bringen, gab es nicht. Und ebenso wenig gab es einen Flug, um die Familie hierherzubringen. Ein Urnenbegräbnis kam für sie nicht infrage. Es blieb nur Davids Beisetzung in Deutschland, 6000km fern der Heimat, und ohne einen einzigen näheren Angehörigen. So weit entfernt, trostlos, gottverlassen? Wenn man so will, ja.

Aber eben auch nicht. Ich habe David auf einem saarländischen Friedhof begraben – in französischer Sprache vor einer Videokamera. Seine Familie konnte die Trauerfeier im Internet verfolgen. Über Mails und Telefonate hatten wir uns verständigt. Christen, weltweit miteinander verbunden.

Der Apostel Paulus schreibt: „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“ (Röm. 8,39)

Entfernung und Trennung bestimmten und bestimmen noch an vielen Orten das Leben in Corona-Zeiten. Entfernung und Trennung legen sich auch zwischen Paulus und die Christen in Rom. 6000km Entfernung und Trennung galt es zwischen David und seiner Familie zu überbrücken. Entfernung und Trennung die der Tod geschaffen hat. Jener Tod, der uns Menschen von Gottes Liebe entfernen und trennen will. Aber wir waren und wir sind nicht trostlos, nicht gottverlassen.

„Ich bin gewiss“, schreibt Paulus, dass nichts uns trennen kann von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist. Ich gebe zu, selbst als Pfarrer habe ich manche Tage reichlich Abstand zur Vorstellung einer Auferstehung, zur Vorstellung meiner Auferstehung. Wunderbare Hoffnung steht da gegen nüchterne Realität.

Aber selten habe ich die Kraft der Auferstehungsgewissheit des Paulus so stark empfunden wie vor jener Videokamera zu Davids Beerdigung. Die Liebe Gottes ist eine Realität. Eine Realität, die alle Trennung überwindet. Sei es jene Trennung zwischen David und seiner Familie, sei es die zwischen Leben und Tod oder Gott und uns.

Trostlos und gottverlassen? Nein, wir sind es nicht. Nicht im Leben und nicht im Sterben, und auch ganz gewiss nicht in Corona-Zeiten.