Ich baue an einer Kathedrale
Anfang der Woche wurde an den Brand in Paris erinnert: Vor fünf Jahren wurden Teile der Kathedrale Notre-Dame durch Feuer zerstört. Kurze Zeit danach kamen rund 846 Millionen Euro an Spenden aus der ganzen Welt für den Wiederaufbau zusammen. Was mich besonders berührt: Auch Kinder haben ihr Taschengeld gespendet. Für den Wiederaufbau einer Kirche. – Sicherlich ist Notre-Dame eine ganz besondere gotische Kathedrale, aber dennoch ist Notre-Dame ein Gebäude.
Eine Kirche – ein Gebäude wie jedes andere auch?!
Auch hier bei uns, im Saarland, stehen solche Gebäude, Kirchen wie die barocke Ludwigskirche, die es immerhin auf die 2-Euro-Münze gebracht hat, oder die Kirche in Bischmisheim, die von dem bekannten Baumeister Schinkel erbaut wurde. Und es gibt Kirchen, die nicht mehr unterhalten werden können. Aus finanziellen Gründen müssen wir uns z. B. in meiner Kirchengemeinde Malstatt von zwei Kirchen trennen. Sind sie tatsächlich nur ein Gebäude?! – Sie sind mehr. Weil sie mit der eigenen Lebensgeschichte verbunden sind: In dieser Kirche haben Menschen Weihnachtsgottesdienste gefeiert, wurden Kinder getauft, Jugendliche konfirmiert oder Paare getraut. Es ist der Ort, in dem der Trauergottesdienst oder eine Jubelkonfirmation gefeiert wurde. Die Glocken im Kirchenturm schlagen die Zeit, die Kirche sieht anders aus und ist zugleich vertrauter Bestandteil im Wohnviertel. Kirchen sind nicht nur mit der eigenen Biografie verbunden, sondern zeigen, was noch zur eigenen Lebensgeschichte hinzukommt: Der Segen und Zuspruch Gottes. Diese emotionalen Bindungen bleiben oft unsichtbar, jedenfalls werden sie nicht immer sichtbar in der eher kleinen Schar, die zum Sonntagsgottesdienst kommt. Aber für die Verantwortlichen ist dies alles spürbar, oft schmerzlich, wenn eine Kirchenschließung beschlossen werden muss.
Da bin ich wieder bei der Kathedrale Notre-Dame und den Kindern, die ihr Geld spendeten. Die sehen wie die Erwachsenen nicht nur ein Gebäude, sondern diese besondere Kirche. Ganz im Sinn dieser Erzählung:
Im Mittelalter sieht ein Junge den Steinmetzen bei ihrer Arbeit zu. „Was machst du da?“ – fragt er den ersten. Der antwortet: „Ich haue Steine.“ – „Und was machst du?“ Der zweite antwortet: „Ich arbeite, um Geld für meine Familie zu verdienen.“ Und schließlich fragt das Kind den nächsten Steinmetz: „Was machst du?“ – Dieser blickt hinauf zum Himmel und sagt dann: „Ich baue mit an einer Kathedrale, einem Gotteshaus.“
Der Link zur Mediathek: https://www.sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=139448