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Höchste Priorität

Autor:
Wenn Freunde von uns hören, dass meine Frau und ich als Bordseelsorger wieder einmal eine Kreuzfahrt begleiten werden, schütteln manche den Kopf:

Sprecherin:
Wie könnt ihr nur! Kreuzfahrtschiffe sind doch mit ihrem Diesel die größten Dreckschleudern auf den Meeren. Sie verschmutzen die Umwelt immer mehr. Außerdem wird die Mannschaft unter Deck – meistens aus den Philippinen – finanziell ausgebeutet. Sie werden  gehalten wie Sklaven. Kreuzfahrten sind ein Fluch der Touristik.

Autor:
Andere halten dagegen und sagen:

Sprecherin:
Kreuzfahrten sind eine bequeme und sehr angenehme Art, weit weg zu verreisen und bei den Ausflügen an Land viel zu sehen von der Welt. Besonders für ältere Menschen, die nicht mehr so beweglich sind, sind sie ein wahrer Segen. Natürlich muss man sich den Luxus auch leisten können.

Autor:
Sind Kreuzfahrtschiffe also ein Fluch oder ein Segen? Für beide Aussagen gibt es gute Argumente. Vor einem Monat aber war die Antwort ganz klar. Da ging die Nachricht durch die Presse: „Deutsches Kreuzfahrtschiff rettet Fischer vor Tonga.“ Eine gute Nachricht. Weil meine Frau und ich dieses Schiff kannten, waren wir besonders interessiert an dem, was geschehen war. Die „M.S.Albatros“ – mit ihren achthundert Passagieren ein relativ kleines Schiff –  war im Südpazifik unterwegs nach Neuseeland. Da erreichte sie ein Notruf.  Ein Fischerboot aus dem Inselstaat Tonga war in Seenot geraten.  Der Motor war ausgefallen, das Boot war für die sechs Männer an Bord manövrierunfähig und zum Spielball der Wellen geworden. Leckgeschlagen drang bereits Meerwasser ein. Seit Tagen schon hatten die Männer kein Trinkwasser.  Sie waren in höchster Not. Der Kapitän der „Albatros“ änderte sofort den Kurs in Richtung des Fischerbootes. Das aber driftete in der rauen See immer weiter ab.  Die von der Küstenwache durchgegebene Position des Bootes stimmte längst nicht mehr. Ohne die Hilfe der neuseeländischen Luftwaffe, die das Boot schließlich wieder geortet hatte, wäre die „Albatros“ zu spät gekommen. Doch so kam sie noch rechtzeitig. Das zeigt ein Video (1), das von der dramatischen Rettungsaktion angefertigt wurde.  In Seenot zu helfen, das ist nach internationalem Seerecht selbstverständlich.

Sprecherin:
Wenn ein Schiff das Kommando erhält, einem Schiff in Seenot beizustehen, gibt es keine Ausreden, dann muss geholfen und der Kurs in Richtung der Unglücksstelle geändert werden. Die Rettung von Menschenleben hat höchste Priorität.

Autor:
Auch Kreuzfahrtschiffe machen da keine Ausnahme. Was mich beim Video aber besonders berührt, das ist die Professionalität, mit der hier gehandelt wird. Welche Ruhe der Kapitän und seine Offiziere ausstrahlen. Das Video zeigt aber auch, wie gefährlich trotz aller Professionalität die Rettungsaktion für die Mannschaft selber ist. Es gibt leicht Verletzte.
Am Ende aber ist alles gut: Die sechs Fischer sind gerettet. An  Bord werden sie mit allem versorgt, was sie brauchen – bis hin zur gesundheitlichen Untersuchung durch den Schiffsarzt.  Die Männer sind voller Dank und schreiben ihn auch auf:  „Thank you from the bottom of our heart.“ Von Herzensgrund: Danke!  Sie bedanken sich auch  für das Geld, das an Bord von den Passagieren und von der Crew für sie gesammelt wurde. Und der Reiseveranstalter hat die Summe noch mal verdoppelt. Eine große Hilfe! Denn schließlich haben die Fischer – und mit ihnen auch ihre Familien – die existenzielle Grundlage verloren; Ihr Bott war nämlich nicht mehr zu retten. Am Ende des Videos sind die Fotos mit den Namen aller sechs geretteten Männer zu sehen, mittendrin eine Tafelinschrift. Sie lautet:

Sprecherin:
Wir haben alle zwei Leben. Das zweite beginnt, wenn wir realisieren, dass wir nur ein Leben haben.

Autor:
Würde  man die Fischer heute fragen, ob für sie Kreuzfahrten eher ein Fluch oder ein Segen sind, so wäre ihre persönliche Antwort wohl klar.  Denn durch ein Kreuzfahrtschiff haben sie erfahren, was es heißt, dass auf See die Rettung von Menschenleben höchste Priorität hat.