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Hirte

Unser Nachbar hält eine kleine Schafherde. Die Schafe sind die Attraktion bei allen Besuchern. In einem großzügigen Gehege mit vielen Unterstellmöglichkeiten fühlen sie sich wohl. Aber manchmal locken die herabfallenden Früchte auf der Streuobstwiese nebenan. Dann finden die Schafe jedes kleine Schlupfloch im Zaun.

„Hm,“, denke ich, als ich das zum ersten Mal gesehen habe, „das wird wohl schwierig, die Schafe wieder einzufangen“. Aber als die Schafe unseren Nachbarn hören, rennen sie freudig blökend zu ihm hin und wollen schnell ins Gehege zurück.

„Aha“, denke ich, „so ist das also mit der Stimme des guten Hirten, von dem Jesus in einem Gleichnis spricht.“

Unser Nachbar kümmert sich um seine Schafe. Er versorgt sie, er nimmt seine Verantwortung ernst. Das wissen die Tiere.

So ein Bild hatte der Verfasser des ersten Petrusbriefs in der Bibel vor fast 2000 Jahren vermutlich vor Augen, als er an die Leitungen der ersten Gemeinden schreibt, Er schärft ihnen ein, dass sie sich nicht als Herrschende über die Gemeindemitglieder verstehen sollen. Nicht aus Gewinnsucht, aus Eitelkeit oder Machtstreben sollen sie Ämter übernehmen, sondern aus dem Willen, für die Gemeinde zu sorgen – so wie sich der gute Hirte – mein Nachbar – um die Herde kümmert. Er wendet sich gegen Machtmissbrauch und Selbstbereicherung.

Das gilt auch heute noch für Verantwortliche in Kirche und Gemeinden. Und es ist zum Leitbild demokratischer Staatsformen geworden. Macht wird begrenzt. Ich will es als Leitbild für alle verantwortlichen Rollen und im Miteinander verstehen, an dem ich mich messen will.