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Herzlich willkommen im falschen Film

„Ich dachte, ich bin im falschen Film“, erzählt meine Freundin aufgeregt durchs Telefon: “Da sitzt an der Kreuzung auf dem Weg zur Arbeit ein alter Mann auf der Mauer und winkt mit dem Krückstock. Ich also angehalten und ihn gefragt, was er da macht. Aber er wusste gar nichts, konnte mir weder Namen noch Adresse sagen. Und weißt Du, sagt sie, der hat sich selbst darüber geärgert. Ich habe den Krankenwagen angerufen und dann hat er doch begonnen zu erzählen. Den Namen seiner Freundin wusste er und dass er nicht dahin wollte, wo die anderen ihn hinbringen wollten. Plötzlich ist mir dann rausgerutscht: Ich finde, das klingt hier alles nach dem falschen Film. Und der Mann dann so: „Ja, da sagen Sie was Wahres, so fühle ich mich schon lange. Herzlich willkommen im falschen Film. Und dann mussten wir beide lachen.”

Meine Freundin macht eine Pause. Gerührt vom Zuhören nutze ich die und hake neugierig nach: „Ja, und wie ging es dann aus? Ist der Mann noch mal in der Wirklichkeit angekommen?“ „Ja”, antwortet meine Freundin, “die Sanitäter waren sehr nett. Er wurde im Krankenhaus schon vermisst. Weißt Du“, sagt sie weiter, “manchmal schadet es gar nicht, mit jemand anderem im falschen Film zu sein.” “Warum? Das verstehe ich nicht”, frage ich durchs Telefon. “Naja, ich habe meinen Weg zur Arbeit unterbrochen für diese  kleine, aber sehr anrührende Begegnung. Das war einfach nicht die übliche Alltagsroutine. Ok, ich kam zu spät, aber ich hätte ihn da auch nicht sitzen lassen können. Jetzt bin ich dankbar, in seinem falschen Film gewesen zu sein – für mich wars gut so!“

Dieses Telefonat bewegt mich bis heute: der Mann fühlt sich plötzlich verstanden. Und zwar genau in all der für ihn in Unordnung geratenen Wirklichkeit! Da saß er hilflos auf der Mauer – und erlebt mit meiner Freundin ein Stück Gemeinschaft. Genauso wie sie mit ihm. Gottes Geist zeigt sich eben manchmal auch – vielleicht gerade – in den Unterbrechungen unserer Alltagsroutine. Oder – um es mit den Worten des alten Mannes zu sagen: Herzlich willkommen im „falschen“ Film!