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Heilige Worte

Nie hätte ich gedacht, dass ich Worte als heilig bezeichnen würde. Aber dann war ich im Theater. Aufgeführt wurde „Hexenjagd“ von Arthur Miller. In diesem Schauspiel geht es um Denunziation, Gesinnungsschnüffelei und Missbrauch politischer Macht. Und auch darum, wie Religion in diesem Zusammenhang missbraucht werden kann.

Diesen Missbrauch von Religion stellt der Regisseur unter anderem durch folgende Szene dar: Eine Gruppe von Mädchen muss Übungen mit dem Springseil machen. Dabei werden sie von einer Aufseherin angehalten, das apostolische Glaubensbekenntnis im Rhythmus des Springseils aufzusagen. Es kommt darauf an, wer dabei am längsten durchhält. Hüpfend und schwitzend stoßen die Mädchen die Sätze des Glaubensbekenntnisses hervor. Nach und nach geben sie auf und sinken erschöpft zu Boden – bis nur noch eine übrig bleibt. Sie ist die Siegerin des Tages.

Je länger die Mädchen das Springseil kreisen ließen und dabei rhythmisch das Glaubensbekenntnis aufgesagt haben, desto unruhiger wurde ich. Ich kann nachvollziehen, was sich der Regisseur bei dieser Szene gedacht hat. Aber je länger je mehr merkte ich, wie weh mir der Umgang mit dem Glaubensbekenntnis tat: Das Glaubensbekenntnis als Leiervers beim Sport! Das war nur schwer zu ertragen. Mir wurde durch diese unangenehme Erfahrung klar: Das christliche Glaubensbekenntnis ist für mich ein heiliger Text.