Beiträge

„Hausgemacht“

Es war an der Zeit. Die alte Terrassentür schloss nicht mehr. Bei jedem Wetter hat sie sich in eine andere Richtung verzogen. Eine neue musste her.

Nicht einfach in diesen Zeiten, einen guten Handwerker zu finden, aber es ist gelungen. Morgens, beim Ausbau der alten Tür war ich dabei, das sah alles gut aus. Ich machte mich auf den Weg zur Arbeit. Nach meiner Rückkehr, dann der Schreck:

Auf dem Parkettboden vor der neu eingesetzten Tür  zog sich über die ganze Länge des Rahmens ein Streifen weißer Farbe. „Unmöglich!“, hat mir die dazu gezogene Nachbarin meine Empörung bestätigt.

Ich wartete meinen Ärger des ersten Schreckens ab, um dann beim Handwerker anzurufen und anzudeuten, dass die Arbeit nicht zu meiner Zufriedenheit sei.

Eine Woche später sind die Handwerker dann endlich gekommen, um den weißen Streifen zu entfernen.  Ein Mann, den ich noch  vom ersten Besuch wiedererkannt habe, trat ein und hat  direkt gefragt: „Unn, was iss?“ Ich habe auf den Boden gezeigt und gesagt: „Na, das sieht man!“ Woraufhin er mich ein wenig verschmitzt angeschaut und gesagt hat: „Ach, Handwerker, nee, see schaffe nix, see schaffe net sauwer, losse die Sache liee unn kümmere sich um gaar nix!“  Seine Worte sorgten für ein Lächeln in meinem  Gesicht – aber die Sache war ernst. Der Handwerker bückte  sich und sagte: „Wissen See, mir hann so e breedes durchsichtiges Klebband!“,  Und er begann auf dem Parkettboden eine Ecke eines für mich unsichtbaren Klebebandes aufzukratzen und zog mit dem – bis dahin unsichtbaren –  Klebeband auch  alle weiße Farbe ab. Sauber und unberührt glänzte nun das Parkett vor meinen Augen. Ein 1A Bild.

Innerlich bin ich auf die Knie gegangen. Natürlich war ich froh, dass nichts mehr zu sehen war. Aber in der Tat, er hatte mich ertappt bei einer Unterstellung, die so überhaupt nicht zutraf.

Im Moment ist mir nur ein Lächeln geblieben und die  Bemerkung, dass das ja nun wirklich gut aussah und eine  Entschuldigung. Aber   die Geschichte lies mich nicht los.

Es hat mich weiter beschäftigt, was sich aus der Farbe und dem Entfernen der Farbe für das gemeinsame Geschäftsverhältnis wohl so alles hätte ergeben können: Ärger,  Frust, Distanz… Alles Gefühle und Haltungen, die ich mir nicht wünsche für den Umgang mit Handwerkern und auch nicht mit anderen Menschen, mit denen ich zusammen lebe oder  arbeite. Aber durch die Aktion mit dem weißen Streifen ist mir wieder einmal bewusst geworden, wie schnell ich hineingerate in selbstgemachte Vorstellungen und sie genauso schnell weiter entwickele. Meine Gedanken und Gefühle hatten längst mit der Situation nichts mehr zu tun. Ich meinen Vorstellungen war ich mit einem gedachten Konflikt beschäftigt und damit, wie ich ihn lösen könnte.  Alles „hausgemacht“!  Allein sorgfältiges Hinzuschauen oder das Vertrauen in die Arbeit von erfahrenen Handwerkern hätten das unnötige Nachdenken und Konstruieren schon verhindert.

Aber bei dieser Einsicht blieb es nicht allein! Ich erinnerte einen erst kürzlich gelesenen Satz. Im Brief an die Galater schreibt der Apostel Paulus ein paar Sätze, die klingen wie hineingesprochen in mein Planen ohne Gelassenheit:  „Durch Christus sind wir frei geworden, damit wir als Befreite leben. Jetzt kommt es darauf an, dass ihr euch nicht wieder vom Gesetz versklaven lasst!“ Ein  wunderbarer Text, der das Leben  und  das Miteinander leichter machen  will und kann.  Er hilft aus hausgemachten Gespinsten.

Ohne uns zwischen alten  Vorstellungen und ängstlichen Erwartungen einzusperren, sind wir immer wieder eingeladen, vorurteilsfrei und versöhnlich mit uns selbst und anderen umzugehen. Und dabei offen, fragend und herzlich wie ein Kind den  Raum größer in uns werden zu lassen, der Begegnung ohne hausgemachte Voreinstellung ermöglicht. Irrtum eingeschlossen!