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Hauen und Stechen

Was haben Martin Luther und Alexander Gauland gemeinsam?

Nun, beide führen sprachlich nicht das Florett, sondern den Säbel. Mit dem Florett wird fein gefochten, mit dem Säbel gehauen und gestochen. Und auf’s Hauen und Stechen hat er sich verstanden, der große Reformator Martin Luther. „Drum soll hier erschlagen, würgen und stechen, heimlich oder öffentlich, wer da kann,“ wütet Luther etwa gegen die aufständischen Bauern. Dagegen nimmt sich die Ankündigung Gaulands, „die Kanzlerin oder wen auch immer jagen zu wollen“ fast schon vornehm aus. Aber natürlich ist auch das ein grober Hieb mit dem Säbel und reiht sich ein in eine Vielzahl sprachlicher Entgleisungen, wie sie seit langem aus den Reihen der AfD zu hören sind. Da soll beispielsweise eine deutsche Politikerin mit türkischen Wurzeln mal eben in Anatolien entsorgt werden.

Wann hat man aufgehört, sich für solche Äußerungen zu schämen? War es die Wahl Donald Trumps, des Großmeisters der sprachlichen Entgleisung?

Das Problem liegt wohl tiefer. Die Verrohung der Sprache verrät eine Verrohung des Denkens. Und für die sind Trump, Gauland und Konsorten nur das Symptom, nicht die Ursache. Die Ursache ist ein tiefgreifender Werteverlust. Wer Menschen irgendwo entsorgen will wie Abfall, der teilt offensichtlich nicht mehr den Grundwert unserer Gesellschaft, dass „die Würde des Menschen unantastbar ist.“

Niemand kann heute noch Werte einfach für alle vorgeben. Keine Religion, keine Kirche, auch kein Staat. Aber wir können sie vorleben. Und auch die Parteien können, nein, müssen das tun. Durch glaubwürdige Politik. Die unantastbare „Würde des Menschen“ ist wie ein 500-Euro-Schein. Schön, ihn zu haben. Aber im Alltag brauche ich Kleingeld. Da muss der große Wert konkret werden in sozialer Gerechtigkeit. Das heißt unter anderem in bezahlbarem Wohnraum; in Renten, die die Menschen nicht demütigen und nicht zuletzt: in guten Bildungschancen für alle. Die sind das Fundament für eine gute Zukunft der jungen Menschen. Oder um es mit den deftigen Worten Martin Luthers zu sagen: „So ist’s auch eine unmenschliche Bosheit, so man denkt: Wir wollen jetzt regieren, was geht uns an, wie es denen gehen würde, die nach uns kommen.

Die Kanzlerin hat schon recht: Man gewinnt die Menschen nur mit guter Politik zurück. Jetzt muss sie sie nur noch machen.