Gute Abhängigkeit

Es ist ein schöner Nachmittag im Sommer. Ziemlich flott laufe ich im Studentenwohnheim die Treppe runter. Ich trete auf die letzte Stufe und knicke um. Ein stechender Schmerz durchzuckt meinen Fuß. Ich kann nicht mehr aufstehen. Später stellt sich heraus: Bänderriss! Aber wie ich da noch so sitze und meinen Knöchel reibe, fällt mein Blick auf eine Plakatwand am Eingang unserer Bibliothek gegenüber. Da steht sinngemäß: „Ein frommer Mensch empfindet es als Glück, dass er abhängig von Gott ist.“

Das war vor 30 Jahren. Aber seitdem geht mir dieser Satz nicht mehr aus dem Kopf. Auch deshalb nicht, weil ich immer wieder Menschen begegne, die diese Abhängigkeit von Gott offenbar nicht wahrhaben möchten. Die ganz allein ihres Glückes Schmied sein wollen. Die meinen, ganz allein entscheiden zu können, was geht und was nicht geht. Die glauben, selbst ihre höchste moralische Instanz sein zu können. Ich glaube, der Mensch hat einen inneren Drang, nicht von Gott abhängig sein zu wollen. Aber wie armselig klein machen wir uns dabei! Wir sind dabei völlig beschränkt auf unsere eigenen Fähigkeiten, unser eigenes Denkvermögen, unsere eigenen Handlungsspielräume. Und wir schneiden uns von den unbegrenzten Möglichkeiten Gottes ab. Von dem, der Himmel und Erde gemacht hat, das ganze Weltall und auch unser eigenes Leben. Von dem, der Gewalten bewegen und Dinge tun kann, die wir uns nicht einmal ausdenken können (Epheser 3,20 GNB).

„Ein frommer Mensch empfindet es als Glück, dass er abhängig von Gott ist.“ Mir gefällt der Satz, den ich davor 30 Jahren auf der Plakatwand gelesen habe. Ich möchte nicht sein wie Gott. Ich bin mir seiner Allmacht bewusst. Ich will mich freiwillig in seine Abhängigkeit begeben. Will mich von ihm leiten und begeistern lassen. Und dann staunend dabei zugucken, was Gott Großartiges tut, um zu zeigen, wie gut er es mit mir meint. Beim Mauerfall 1989 zum Beispiel ist mir das ganz deutlich geworden. Die Montagsgebete haben die Menschen in Verbindung mit Gott gehalten. Und als die Mauer gefallen war, hat ein Stasi-Offizier gesagt. „Mit allem haben wir gerechnet, aber nicht mit Kerzen und Gebeten.“ Gottes Möglichkeiten sind weitaus größer als die von uns Menschen. Von diesem Gott bin ich gerne abhängig.