Beiträge

Gott vermissen

Im Ethikunterricht machen wir ein Spiel. „Werte ersteigern“. Als Wert gilt, was einem persönlich wichtig ist. Gesteigert wird in 50€-Schritten. Respekt, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit – für alle diese „Werte“ werden hohe Summen geboten. Liebe, Familie, Freundschaft – auch teuer.  Dann kommt „religiöser Glauben“ zur Versteigerung. Abgegeben wird ein Gebot. 50 €. Die Schüler lachen. Klar, jetzt haben sie dem Pfarrer eins ausgewischt. Trotzdem bleibt mir das Lachen im Halse stecken. Dass viele Menschen nicht an Gott glauben, ist mir klar. Ich wünschte nur, sie würden ihn wenigstens vermissen.

„Gott ist tot!“, schrieb Friedrich Nitzsche vor rund 150 Jahren. Und fand das gut. Endlich Schluss mit dem christlichen Glauben und seinen Werten. Endlich Schluss mit Nächstenliebe, mit gnädigem Umgang miteinander, mit Barmherzigkeit, mit unantastbarer Menschenwürde. Endlich Raum für den Übermenschen, der von keiner christlichen Sklavenmoral mehr gefesselt wird.

Was kommt dabei heraus? So etwas wie das KI-Video von Donald Trump, wie er als Pilot eines Kampfjets mit einer Krone auf dem Kopf Gülle auf sein Volk schüttet. Wohlgemerkt, von ihm selbst veröffentlicht. Das ist die Welt, in der kein Wert mehr gilt. Nicht einmal mehr die elementaren Formen des Anstands. Das ist die Welt ohne Glauben.

Ich wünschte, alle die glauben, Gott sei tot, würden ihn wenigstens vermissen.

Gott zu vermissen, ist auch eine Art, mit ihm zu leben.