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Gendern

„Ihr seid doch endgültig bekloppt bei der Kirche!“ warf mir neulich beim Klassentreffen ein alter Schulkamerad an den Kopf. „Gott versöhnt und vertöchert die Welt – was ist das denn für eine Sprachverhunzung!“ Und raunte noch was von „Genderwahnsinn!“

Was er mir da erzählte, wollte ich zuerst gar nicht glauben, dachte: schlechter Witz von ihm, der will mich Pfarrer provozieren. Gott versöhnt und vertöchert die Welt.

Wir haben‘s dann gemeinsam gegoogelt, und tatsächlich, schreibt doch eine gestandene Pfarrerin: „Versöhnung. Da sind die Söhne drin. Versöhnung und Vertöchterung müsste man heute politisch korrekt sagen. Wir Frauen sind mitgemeint.“

Um das gleich klarzustellen: Frauen, Männer, Queere in der Sprache vorkommen zu lassen, das ist wichtig. Und ich arbeite an mir, das selbst zu machen. Aber „Versöhnen und vertöchtern“? Da hab‘ ich – zugegeben – erstmal herzhaft gelacht. Ok, bin ja auch nur ein alter weißer Mann.

Aber dann hab‘ ich gegrübelt – vielleicht doch nicht so blöd von der Kollegin?

Zunächst: Versöhnen hat mit Söhnen nix zu tun. Auch wenn in der Bibel zum Beispiel die verfeindeten Brüder Jakob und Esau sich versöhnen. Oder Gott durch Jesus die Welt versöhnt. Das deutsche Wort „Versöhnung“ kommt von Sühne. Sühne meint dabei einen fairen Ausgleich zwischen zerstrittenen Parteien – einzelnen Menschen, Familien, Gruppen, Staaten. Das Ziel: Beilegung von Feindseligkeiten, Verständigung, Frieden. Wer an Gott glaubt, sieht den am Werk. Der will das von uns. Versöhnung. Alle Menschen sollen Geschwister sein, Brüder und Schwestern, die sich nicht an die Gurgel gehen. So betrachtet also gar nicht abwegig: „Gott versöhnt und vertöchert die Welt“.