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Gelassenheit

„Reg dich nicht so auf!“ Ein Standardsatz meiner Frau, den ich in den letzten Tagen oft zu hören bekam. Es war aber auch zum Haare Ausraufen – wenn ich noch welche hätte. Trump in den USA, das Ende der Ampelkoalition, die Hahnenkämpfe um den Wahltermin. Überflutungen und Brände, und keiner tut was gegen die Ursache, die Überhitzung der Erde. Aber auch dieser Paketbote, der mir das Päckchen in der Mülltonne deponiert. Und die Baustellen in und um Saarbrücken. Ich könnte mich gerade wieder aufregen.

„Reg dich nicht so auf!“ Einfach gesagt, schwer umzusetzen, nicht nur für mich. Wer regt sich nicht alles maßlos auf, in den Leserbriefspalten der Saarbrücker Zeitung, auf Facebook. Bei Lanz und Maischberger, im Deutschen Bundestag: da wird beleidigt, geschimpft, gehetzt.

Es gibt ein Gebet, fast so bekannt wie das Vaterunser, das bittet um etwas, was uns Aufgeregten derzeit fehlt: Gott, gib mir die Gelassenheit Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom andern zu unterscheiden.

Gelassenheit. Das Genöle mal lassen. Den Empörungsmodus mal ausschalten. Innerlich ruhig werden und dann entscheiden: das ist wichtig und das nicht. Das ist zu tun und das nicht.

Gelassen sein heißt aber nicht, sich abzuwenden, wenn andere Menschen leiden und gelassen-unmenschlich seiner Wege zu gehen. Es ist menschlich, sich emotional bewegen zu lassen. Furcht, Zorn, aber auch Glück – ich bin außer mir und gleichzeitig ganz nah bei mir. Fühle mich lebendig. Und eines bin ich dann ganz sicher nicht: gelassen. Darin kann eine große Kraft liegen: Menschen wachsen über sich hinaus, wenn sie für eine Sache kämpfen, die ihnen am Herzen liegt.

Derzeit erleben wir, wie das umschlägt. Wut, Schuldzuweisungen, gnadenlose Verurteilung. Sachliche Einschätzungen mischen sich mit Propaganda, Populismus und einfachen Antworten auf komplexe Fragen. Das dient keinem, führt zu Nichts Gutem. Ich werde müde, mich erschöpft das. Ich kann nichts mehr hören. Ein Schutzmechanismus, der aber auch nichts zum Besseren ändert. Ja, ich will mich nicht mehr so aufregen, das ist gesünder. Aber will nicht den Mut verlieren, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom andern zu unterscheiden.

 

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