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Geburtstagsständchen

Seit   Tagen war es warm und trocken. Ich stand  mit zwei Gießkannen im Vorgarten und war dabei, meine Pflanzen zu retten. Plötzlich hörte ich junge Stimmen vom Nachbarhaus auf den anderen Seite des Platzes. Es war ein Lied: Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen, Gesundheit und Frohsinn sei auch mit dabei.

Was für eine schöne Szene: überrascht, mit hineingenommen in das Lied der Jugendlichen, die  am Fuße einer Treppe stehend ihrer scheinbar gleichaltrigen Freundin ein Ständchen singen. Ihre Stimmen, ihre Fröhlichkeit taten  mir gut und ich freue mich in der Erinnerung an dem Gesang und  der Herzlichkeit dieser Szene bis heute.

Auch das ist eine Erinnerung an Corona neben unendlich vielen Einschränkungen und  Besuchsverboten. Eine Erinnerung, die mir geblieben ist  und die ich ohne Zögern neben das überwältigende Engagement vieler für Andere stellen kann oder die mich an viele herzliche Einzelbegegnungen erinnert. Vielleicht haben sie auch Ähnliches erlebt?

In solchen Begegnungen scheint die gemeinsame Bedrohung durch Corona in einer lebendigen  Gemeinschaft und durch das herzliche Miteinander vergessen.

Diese Form von Gemeinschaft, von Nähe und von Zuneigung kennt keine Grenzen. Weder durch Kultur, Klasse, Rasse oder Religion und auch nicht durch Corona. Das ist sicher ein Gewinn aus den Erfahrungen der letzten Wochen: Wir Menschen sind fähig, Alternativen zu suchen und  zu finden. Wir sind in der Lage, uns zu zeigen, wie sehr wir uns lieben, unterstützen und brauchen. In all der Not und in all den schrecklichen Bildern gelingt es, aufmerksamer und achtsamer miteinander umzugehen. Was für ein Glück. Sicher, diese Pandemie ist nicht zu Ende und ihre Folgen verändern unsere Welt. Aber wenn wir ausschließlich  auf unsere  Ängste und Sorgen blicken, bleiben wir allzu schnell ohnmächtig gefangen. Daraus befreien kann die Erinnerung an  die bleibenden Möglichkeiten eines erfüllten Miteinanders.

„Man sieht nur mit dem Herzen richtig!“, hat Antoine de Saint-Exupéry im zweiten Weltkrieg seinen Helden, den kleinen Prinzen, sagen lassen.

Ja, nur das Herz, das lieben kann, entdeckt auch die Zeichen der Liebe mitten im Krieg. Heute, in der Zeit der Pandemie gesprochen, mag dieser Satz immer noch gelten und darf vielleicht auch verändert werden:

Nur ein liebendes  und lebendiges Herz findet die richtige Richtung im Miteinander.

Nein, ich bin kein Träumer… In der Tat:  Angst, Sorgen und auch die Gier werden unser Leben und die Gemeinschaft weiterhin begleiten und, wenn es schlecht läuft,  unsere Zukunft bestimmen und  gestalten.

Und wenn wir uns in einem solchen Leben wieder finden, genau dann sollten gute  Erinnerungen ins uns aufleuchten und unsere Sehnsucht entzünden, mit unserem Herzen die Zukunft zu gestalten.

Das beginnt im Kleinen, in mir, in den Familien, unter Freunden oder in einer kleinen Geste, die wir entdecken oder selbst gestalten. Mitten in den alten Strategien der Angst, braucht es eine Haltung des Herzens. Nur aus ihr kann eine lebendige und respektvolle Gemeinschaft  geboren werden. Immer wieder neu. Dabei hilft uns die gegenseitige Versicherung, dass wir nicht allein sind. Wie in dem Lied der Jugendlichen: „Viel Glück und viel Segen auf all unseren Wegen“