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Fußballgott

Wenn sich Jonas morgens die Zähne putzt, dann spürt er ein erhe­bendes Gefühl. Nicht etwa, weil er sein verschlafenes Gesicht im Spiegel sieht, sondern wegen seiner Badezimmermatte. Auf der steht: „Fußballgott“. Und auf dem flauschigen Schriftzug in den Farben von Bayern-München steht Jonas jeden Morgen.

Fußball spielt Jonas wirklich gut. Vielleicht nicht so göttlich gut wie Robert Lewandowski, sein Idol, aber seitdem er die erhe­bende Matte geschenkt bekam, dribbelt er noch besser – gefühlt zumindest.

Die Fußballgott-Bodenmatte gibt es für sieben Euro fünfundneun­zig im Baumarkt zu kaufen. Man kann sie sich nicht nur ins Bade­zimmer legen, sondern auch vor die Wohnungstür. Dann kann man auf Gott sozusagen seinen Dreck abladen. Genauer: Man kann sich zwischen dem G und dem T den Schmutz von den Schuhen streifen. Gott beschmutzen.

Seit meiner Jugend habe ich gelernt, die Sache mit Gott im öffent­lichen Raum nicht so ernst zu nehmen. Ich habe gelernt zu unter­scheiden zwischen dem Gott, der mir heilig ist, und den vielen Darstellungen in Filmen, Kunst und Werbung, die ihre eigene Botschaft transportieren wollen.

Sei nicht engstirnig, sage ich mir. Was ist denn dabei, wenn „Fuß­ballgott“ auf einer Bodenmatte steht? Damit ist ja nicht dein Gott gemeint, sondern nur, dass da ein Fußballspieler außerordentlich gut spielt – wie ein Gott eben. Und mit etwas Selbstironie kann man sich doch auf diese Matte stellen, das hat ja nichts mit dem eigentlichen Glauben zu tun.

„Nur wann“, fragt eine andere Stimme in mir, „wann ist dir wirk­lich etwas heilig? Wann bist du überhaupt bereit, für deinen Glauben an Gott vor anderen einzustehen? Wann hörst du auf, dich hinter deiner Ironie zu verstecken, die jede Geschmacklosig­keit toleriert aus Angst, vielleicht verbiestert zu wirken?“

Ich möchte Jonas den Spaß nicht nehmen. Jonas wird lernen, dass der eigentliche Gott der ist, der sein Fan bleibt, auch wenn Jonas keine Tore schießt. Aber ich werde sicherlich kein Fan seiner Matte. Von „Gott“ auf einem Fußabtreter zu lesen, finde ich alles andere als erhebend.