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Friedhofsgeschichten: Der Taxifahrer

Eine Friedhofsgeschichte: Der Taxifahrer.

Wir treffen nach der Beerdigung zufällig aufeinander und gehen gemeinsam zum Parkplatz. Ich, die Pfarrerin, und dieser Mann, der mir auf dem Weg erzählt:

„Ich war ihr Taxifahrer. Zwei Jahre lang habe ich sie jede Woche zu ihrer Behandlung gefahren. Sie war eine besondere Frau. Zuerst sehr verschlossen. Sie hat ihr Herz nicht auf der Zunge getragen. Dann fing sie an über ihren Krebs zu reden. Über ihre Familie, den Tod ihres Mannes, über ihre Tiere, ihren Garten. Sie war ein eher spröder Typ, wollte ihre Familie nicht belasten und behielt deshalb auch ihre schwere Erkrankung lange Zeit für sich. Sie hatte eine harte Schale, aber darunter war ein sehr weicher Kern.“

Heute ist er zur Trauerfeier, gekommen, um von ihr Abschied zu nehmen. Es waren viele Leute da: Familie, Verwandte, Freunde und Freundinnen – und er, der Taxifahrer. Ein Fremder, der ihr in ihren letzten beiden Lebensjahren zu einem ganz besonderen Vertrauten wurde. Mit ihm und seinem Taxi hatte sie einen geschützten Ort und einen besonderen Menschen gefunden.

Das kann ich mir gut vorstellen: Den Taxifahrer erlebe auch ich als zugewandt und freundlich. Im Beerdigungsgespräch hatte mir die Familie erzählt, dass sie immer vom selben Taxifahrer gefahren wurde und ihr das sehr gutgetan habe. – Und das sage ich ihm, als wir bei unseren Autos ankommen: „Wie schön, dass sie auch von Ihnen auf Ihrem letzten Lebensweg begleitet wurde – als Chauffeur und Seelsorger.“