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Fressen und Moral

„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“, heißt es in der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht.

Diese Weisheit hat sich in unserer Gesellschaft grundlegend verändert: Essen ist selbst zu einer Frage der Moral geworden. Nachhaltig, vollwertig, regional, saisonal, klimaneutral soll es möglichst sein – die Frage der Ernährung ist zur Heilslehre geworden, zur Ersatzreligion; am deutlichsten vielleicht beim Veganismus. Es ist bezeichnend, dass mittlerweile sogar vom Vegansinn die Rede ist – positiv wie negativ.                Persönliches Glück und das Heil der Welt werden, so scheint es, auf unseren Tellern entschieden.

Und wehe, jemand macht nicht mit beim Hype um die Ernährungslehren. Dann muss man es ihm um seinetwillen beibringen. Da passt es ins Bild, dass der Bundeslandwirtschaftsminister, Christian Schmidt, vorgeschlagen hat, ein neues Schulfach einzuführen: die Ernährungslehre.

Ja, warum eigentlich nicht? Etwas lernen über gesunde Ernährung, erfahren, woher die Lebensmittel kommen und wie sie verarbeitet werden. Vielleicht sogar ein bisschen Kochen lernen. Das klingt doch eigentlich ganz sinnvoll.

Ich frage mich nur: Was soll die Schule eigentlich noch alles leisten? Das ist doch die Aufgabe der Eltern.

Und genau hier liegt das Problem. Viele der übergewichtigen Kinder, von denen so viel die Rede ist, leben in bildungsfernen, prekären Milieus. Dort stehen oft Fertiggerichte, fast food und literweise Limonade auf dem Speiseplan, obwohl die sogar teurer sind als gesunde Ernährung. Entweder wissen die Eltern es nicht besser oder es ist ihnen egal.

Dieses Problem macht man nicht mit einem weiteren Schulfach wett. In Familien mit mehr Bildungsnähe stellt sich das Problem nämlich kaum. Wer etwas für die bessere Ernährung von Kindern aus prekären Milieus tun will, der sollte deshalb in soziale Gerechtigkeit und Bildungschancen investieren. Mit der sozialen Sicherheit kommt Bildung. Und mit mehr Bildung kommt eine nachhaltige Ernährung mit der Zeit ganz von selbst.