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Fragemutig

„Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm“ dieser Satz aus dem Vorspann einer Kindersendung aus meiner eigenen Kindheit fiel mit wieder ein, als in der Kinderklinik ein erkranktes Kind mit Fragen reagierte. Es quittierte jeden Handgriff der Krankenschwester und auch mein Erscheinen mit der Frage: “Mama wieso kommt die Frau? Mama, wieso machen die das?“

Kinder sind so erfrischend fragemutig! Klar, das kann anstrengend sein und Sätze wie „Frag mir doch keine Löcher in den Bauch!“ gehören vielleicht auch zu den aus Ihrer Kindheit erinnerten Antworten von erwachsenen Gesprächspartnern, Mutter oder Vater. Und? Wurden Sie still?

Ich bin, so erinnere ich mich, als Kind still geworden, jedenfalls erstmal, wenn meine Fragen für Erwachsene nervend wurden.

Deshalb gefällt mir das kleine Kind so gut: „Wieso?“ Ich entdecke darin diese ungenierte Unbedarftheit, die sich traut, vermeintliche Selbstverständlichkeiten nicht einfach als gegeben oder sogar zwangsläufig richtig hinzunehmen. Wie befreiend! Ich lache das Kind und seine Mama an: „Meinst Du mich mit der Frau, die kommt? Ich möchte euch einfach besuchen.“

Das Mädchen lächelt schüchtern zurück.

Die Mutter ergreift das Wort: „Nichts können die ungefragt hier machen, alles muss befragt sein, strengt ganz schön an, sag ich Ihnen!“

„Das glaube ich. Allerdings können Sie so froh mit ihrer fragemutigen Tochter sein: Wissen Sie, Fragen zu stellen, das würde auch uns Erwachsenen manchmal helfen. Stattdessen meinen wir entweder, wir wüssten schon, oder wir wagen kein ungeniertes Wieso mehr.“

Ich nehme mir das Wieso des Mädchens zu Herzen und merke, dass ich im Alltag viel weniger weiß als all das, was ich als gegeben hinnehme.

Und ich merke auch: diese zur Schau getragene Haltung des Bescheidwissens ist mir richtig unheimlich: so oft wird ein Gespräch dadurch verhindert, dass sich unter Erwachsenen keiner mehr zu fragen traut: „Wieso eigentlich?“ Und nicht zustande kommendes Gespräch nährt Vorurteile und Meinungen, die mit dem Gegenüber schon fertig sind, bevor er oder sie überhaupt etwas gesagt hat. Fragen kann man sich dann sparen. Das ist doch so klar und was nicht klar ist, google ich schnell, dann brauche ich meine Unwissenheit nicht einzugestehen.

Wieso ist eigentlich das Klima unter uns Erwachsenen so geworden? Na denn: Wieso habe ich mir das Fragen abgewöhnen lassen? Wieso habe ich die Löcher in irgendwelchen Bäuchen noch nie gesehen? Und: Wieso ist es so selten geworden, unter Erwachsenen noch auf ungeniert Fragende zu treffen? Danke, kleines Mädchen aus der Klinik, von Dir habe ich den Mut mitgenommen, wieder fragemutig zu sein!

Wieso, weshalb, warum? Mir fällt Jesu Wort an seine Jünger ein: „Wahrlich ich sage euch: wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“ Manche Erwachsene scheinen dieses Jesuswort nicht mehr im Herzen zu haben. Dabei entdecke ich, wieviel Freude es macht, auf ehrliche Fragen auch Antworten zu erhalten. So erinnere ich mich gern an die ältere Patientin, die mir auf meine Frage, wie es ihr heute geht, spontan antwortet: „Sie wollen bestimmt hören, dass es besser geht. Stimmt aber nicht: ich fühle mich überhaupt nicht wohl, da kann das hier zehnmal ein Krankenhaus sein!“

Mich berührt das Gespräch, was mich nicht im luftleeren Raum stehen lässt oder gar als kindisch verurteilt. Ja, tatsächlich: mit der älteren Frau bin ich richtig gut ins Reden gekommen – über den Frust, dauernd untersucht zu werden und nichts zu erfahren. Ohne Frage keine ehrliche Antwort und kein Gespräch, für das die Patientin sich übrigens bedankt hat.

Und im Sinne Jesu freue ich mich über Frage-Menschen: kleine und große Frage-Menschen sind diejenigen, die sich vom Leben angefragt fühlen und selbst wissenshungrig und fragemutig zu bleiben. Wie wohltuend ist das denn. Mehr noch: wie viel Reich Gottes wohl schon in der Offenheit für die Überraschungen des Lebens liegen mag! Wieso? Weil Jesus es versprochen hat!