Flüchtling
Nicht jeder Mensch, der einmal einen Krieg erlebt hat, spricht darüber. Wie das ist, wenn die Bomben fallen. Wie das ist, wenn man flüchten muss. Von einem auf den anderen Tag. Nur mit den Kleidern am Leib und ein paar Habseligkeiten im Koffer. Meine Mutter hat mir davon erzählt. Vom Krieg. Wie sie als kleines Mädchen gleich zweimal evakuiert wurde, weil unser Saarland so nah an der Grenze zu Frankreich liegt. Nach Thüringen ging es. Beim ersten Mal kurz nach ihrem fünften Geburtstag.
In Thüringen war alles fremd. Die Sprache, das Essen, die Landschaft. Sie wurden einquartiert. Bei Bauern. Es war schwierig. Manchmal sogar feindselig. Aber nach einer Weile hatte sie eine Freundin gefunden. Und wieder zurück im Saarland blieb der Kontakt. Freundinnen fürs Leben.
Meine Mutter hat nie vergessen. Wie es ist, zu flüchten aus der Heimat. Wie es ist, nur mit dem bisschen Leben in der Fremde anzukommen. Sie ist vor einigen Jahren gestorben – aber die Hetze der NPD und später der AfD gegen Flüchtlinge musste sie noch erleben. Dieses schleichende Gift, das die Herzen hart macht. Sie hat sich immer dagegengestellt. Auch wenn die Stimmung auf der Familienfeier einen Knacks bekam. Sie widersprach, wenn da jemand mal wieder rumschwadronierte. Und vergessen hatte, dass es ihrer Generation mal ganz genauso ging wie den Flüchtlingen, jetzt, viele Jahrzehnte später.
Am kommenden Samstag beginnt die Interkulturelle Woche. Bundesweit in 700 Städten mit über 5000 Veranstaltungen geht es um unser vielfältiges, buntes Zusammenleben. Wie schön und bereichernd das sein kann. Sie wird in diesem Jahr in Saarbrücken eröffnet, ab 13.30 Uhr mit einem bunten Fest vor dem Staatstheater. Auch mit einem ökumenischen Gottesdienst. Und vielen Veranstaltungen in den nächsten Tagen. Zur Interkulturellen Woche gehört der Tag des Flüchtlings. Denn viele Menschen, die mit uns zusammenleben, sind geflüchtet. Aus Vietnam oder Bosnien. Afghanische Frauen, geflohen vor den Taliban; Syrer, Kurden, Palästinenser aus den Wirren des Nahost-Konflikts. Ukrainerinnen mit ihren Kindern. Sie kamen oft nur mit den Kleidern am Leib und ein paar Habseligkeiten und wollen bei uns in Frieden leben. Sie vertrauen uns, dass sie hier, in unserer Mitte, in Sicherheit sind. Wie meine Mutter damals in Thüringen.
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