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Fairer Prozess

In Deutschland gilt: Jeder Mensch soll einen fairen Prozess bekommen. Egal, welche Straftat er begangen hat. Ob Schwarzfahren, überhöhte Geschwindigkeit, Trunkenheit am Steuer, Diebstahl, Beleidigung, Raub, Gewalt.

Als Strafrichter am Amtsgericht hat Florian Hobbeling schon viele Prozesse geleitet. Immer unter dem Grundsatz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. „Dieses ist die Kernnorm unseres Zusammenlebens“, sagt er, „und so müssen wir auch die Täter behandeln.“

Konkret bedeutet das für den Richter: Bevor er zu einer Verhandlung in den Gerichtssaal geht, sagt er sich: „Dieser Mensch ist unschuldig. Das Gegenteil muss mir jetzt erst bewiesen werden.“

Bei einer Gerichtsverhandlung kommt als erstes der Staatsanwalt zu Wort, dann – ganz wichtig – der Angeklagte selbst. Danach Zeugen und die Gutachter. Und immer muss Florian Hobbeling genau zuhören. Denn er muss die Wahrheit erst einmal ermitteln, Menschen zuhören. Und so herausfinden: Trifft der angeklagte Sachverhalt überhaupt zu? Und dann nach Recht und Gesetz entscheiden: Muss der Mensch jetzt auch verurteilt werden? Und wenn ja: wie?

 

Mit seinem Urteil ist Florian Hobbeling nicht vorschnell bei der Hand. Erst recht nicht bei Verfahren, an denen er selbst gar nicht teilnimmt, die ihm aber über die Medien zu Ohren kommen. In Internetforen liest er häufig Kommentare, in denen Menschen ziemlich schnell ziemlich harte Strafen fordern: „Schickt den Täter in den Bau! Oder gleich nach Sibirien!“

Florian Hobbeling meint dazu: „Wir können den einzelnen Fall gar nicht so beurteilen. Weil man immer nur in der Zeitung – nachher – liest, was da passiert ist.“ Selbst er als Fachmann sagt: Ich gehe nicht davon aus, dass ich über alles sofort richten oder urteilen muss. Sondern nur über das, womit ich beruflich zu tun habe.

 

Bevor er in einem Verfahren zu seinem Urteil kommt, stellt sich Richter Hobbeling die Fragen: Was ist eigentlich gerecht? Welches Strafmaß ist angemessen? Zum Beispiel beim Schwarzfahren. Eigentlich muss dieses „Erschleichen von Beförderungsleistungen“ – wie es juristisch heißt – bestraft werden. Doch es gibt auch Konstellationen, wo der Sachverhalt kompliziert ist. So die Erfahrung von Florian Hobbeling. Wenn zum Beispiel ein geflüchteter Mensch gar nicht versteht, wie man einen Fahrkartenautomaten bedient oder was ein Fahrkartenautomat überhaupt ist. Weil es dort, wo er herkommt, solche Automaten nicht gibt. „Natürlich heißt das nicht, dass derjenige schwarzfahren darf, aber“, so der Richter, „es gibt auch manchmal die Gelegenheit, dass man sagt: So, jetzt wollen wir hier mal die Kirche im Dorf lassen. Es muss nicht jede Straftat bestraft werden.“

 

Und gibt es auch nur einen winzigen Zweifel an der Schuld eines Menschen, darf er nicht verurteilt werden. Der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten!“ gilt für Florian Hobbeling unbedingt. Der Richter ist überzeugt: „Wir müssen ein Staat sein, wo die Menschen sich darauf verlassen können: Wenn wir jemanden verurteilen, dann machen wir das nach festen Regeln und in einem fairen Verfahren und es darf kein Zweifel an der Schuld bestehen. Denn alles andere würde in einen Unrechtsstaat führen.“

 

Florian Hobbeling ist Christ. Zwischen dem deutschen Grundgesetz und der Bibel sieht er Ähnlichkeiten. Zum Beispiel, wenn er im Grundgesetz liest: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und in der Bibel „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“

Das Christsein ist Florian Hobbeling wichtig, aber sein Glaube beeinflusst sein Richteramt nicht. Er sagt: „Ich muss mich da neutral verhalten. In jedem Fall. Ich bin an das Gesetz gebunden und an die Verfassung unseres Landes. Ich bin dort nicht als Katholik gefragt.“

Es ist egal, wer da vor ihm auf der Anklagebank sitzt. Wo dieser Mensch herkommt, was er besitzt oder woran er glaubt – in allen Fällen wendet Florian Hobbeling das Gesetz an. „Das ist meine Aufgabe, die ich dann auch erledigen muss. Und will“, sagt er und ergänzt: „Viele Verurteilte bedanken sich bei mir. Nicht für ein mildes Urteil, aber für einen fairen Prozess.“