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Es ist wieder soweit

Es ist wieder soweit – Wahlplakate hängen an Laternenmasten und an extra dafür aufgestellten Holztafeln. Samstagmorgen vor der Bäckerei und vor dem Einkaufscenter stehen Menschen an Ständen politischer Parteien, sind zur Diskussion bereit und verteilen Kugelschreiber und Broschüren. Politikerinnen und Politiker gehen unter die Leute, sind auf Dorffesten und Orgelkonzerten anzutreffen. In drei Wochen ist Bundestagswahl, der 24. September rückt immer näher. Ich darf meine Kreuzchen machen und bin froh darüber, in einem Land zu leben, in dem Demokratie nicht nur ein Wort ist. Ich bin keine, die verdrossen ist. Seit ich wählen darf, habe ich keine einzige Wahl verpasst. Es käme mir nicht in den Sinn, nicht wählen zu gehen. Ich informiere mich vorher, so gut ich kann. Und ich denke darüber nach, was aus meiner Sicht in unserer Gesellschaft dran ist.

Mir kommen die beiden jungen Männer in den Sinn, die regelmäßig an meiner Haustür klingeln und um Geld bitten. Beide stammen aus Elternhäusern, die selber auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, beide sind ohne Hauptschulabschluss ausgeschult worden, schlecht gebildet. Sie leben von Gelegenheitsjobs. Manchmal frage ich mich bang: Was wird bloß werden aus ihnen? Oder aus dem alten Mann, der auch neulich erst wieder geklingelt hat? Ich unterstütze alle drei mit Geld aus der Diakoniekasse meiner Gemeinde. Aber immer, wenn ich die Tür anschließend wieder zumache, weiß ich: Das Geld ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wie steht es mit der sozialen Gerechtigkeit in unserem Land, frage ich mich. Und ich bin nicht die einzige, die das tut.

Unter der Überschrift: Ungerechtes Deutschland – Fragezeichen, hat Ulrich Lilje, der Präsident der Diakonie in Deutschland, einen Beitrag in seinem Blog veröffentlicht. Darin beschreibt er die Ergebnisse einer repräsentativen Studie, die die Diakonie in Auftrag gegeben hat. Demnach sind rund 62 Prozent der deutschen Bevölkerung davon überzeugt, dass es in Deutschland sozial nicht gerecht zugeht. Diese Zahl lässt sich noch zuspitzen: Fast ein Viertel der Befragten Menschen halten unser Land sogar für „sehr ungerecht“, 37 Prozent für „eher ungerecht.“ In unserem reichen Land liegen „aufstrebend“ und „abgehängt“ leider oft nah beieinander. Ulrich Lilje schreibt weiter: „Es braucht politisches Engagement, damit Deutschland sozial gerechter wird. Denn diese Ungleichgewichte haben demokratiegefährdendes Potenzial.“ Es reicht nicht, nur Pflaster zu kleben, wie ich das oft tun muss.

Deshalb ist es gut, dass die Diakonie auf Bundes- und Landesebene politisch tätig ist als Anwältin für die Schwachen. Sie benennt die Ursachen von sozialer Not gegenüber Politik und Gesellschaft. Sie setzt sich dafür ein, dass die strukturellen Ursachen von sozialer Not und Ungleichheit benannt und hoffentlich auch beseitigt werden. Diakonie ist eine Lebens- und Wesensäußerung der Kirche, so habe ich es in meinem Studium einmal gelernt und so erfahre ich es nahezu täglich an meiner Haustür. Und weil es mir wichtig ist, dass diese Erfahrungen mit einfließen in meine Wahl am 24. September, habe ich gespannt die Fragen des sogenannten „Sozial-O-Maten 2017“ gelesen und beantwortet. Die Diakonie hat darin die vier Themen Familie, Pflege im Alter, Armut und Flucht als die wichtigsten sozialpolitischen Stichworte ausgemacht, die unsere Gesellschaft derzeit beschäftigen.

Die Fragen und die Antwortmöglichkeiten zu diesen Themen sind plakativ, aber das wollen sie auch sein. Sie führen die Konsequenzen des eigenen Denkens und der eigenen Meinung für andere konkret an Geschichten vor Augen. Am Ende steht keine Wahlempfehlung, aber Hinweise auf Parteiprogramme, in denen diese sozialpolitischen Fragestellungen vorkommen und welche Ideen zur Lösung die einzelnen Parteien anzubieten haben. Wir Wählerinnen und Wähler stellen am 24. September die Weichen für die Politik der nächsten vier Jahre und entscheiden mit darüber, in welche Richtung die politische und soziale Entwicklung in unserem Land geht. Deshalb mein Tipp: Machen Sie mit unter www. Sozial-o-mat.de und  gehen Sie dann – gut vorbereitet – wählen.