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Es geht bergab

Dejan Vilov:

Eine Freundin von mir hat mir aus dem Urlaub Whatsapp geschickt. Ein Photo und ein paar Sätze dazu. Das Photo sieht aus wie aus einem Bilderbuch. Eine Wiese mit grünem Gras, ein paar Bäume mit grünen Blättern und im Hintergrund sieht man einen klaren See. Dahinter noch Hügel und Berge. Im Vordergrund den Rand von einem Holztisch.

Dazu schreibt meine Freundin Heike, die eigentlich anders heißt:

 

Alessa Holighaus:

„Heute sind wir Wandern. Die Hälfte haben wir jetzt. Machen gerade Pause. Oder Brotzeit, wie man hier sagt. Danach geht’s wieder zurück ins Hotel. Sorry, wenn das Photo ein bisschen schief ist.“

 

Dejan Vilov:
Macht nichts, denke ich. Ich freue mich trotzdem über die Nachricht und gucke mir das Photo nochmal an. Am rechten Bildrand steht ein Kreuz am Waldrand. Auch dazu hat Heike ein paar Sätze geschrieben:

 

Alessa Holighaus:

„Ab dem Kreuz da am Waldrand geht’s wieder bergab, Gott sei Dank! Nach drei Stunden nur bergauf. Super anstrengend für eine Flachlandtirolerin wie mich. Ich spüre meine Beine schon fast nicht mehr.“

 

Dejan Vilov:

Ich weiß, was Heike meint. Wenn man stundenlang nur bergauf läuft, merkt man das irgendwann in den Beinen. Da ist die Aussicht darauf, wieder bergab zu laufen, toll. Andererseits: Danach tun einem dann andere Muskeln weh. Und außerdem: „Es geht bergab“ – das bedeutet sprichtwörtlich nichts Gutes, im Gegenteil. Wenn es zum Beispiel bei einem Menschen bergab geht, dann bedeutet das meistens, dass es ihm immer schlechter geht. Oder im schlimmsten Fall: Dass er bald tot ist.

Es geht bergab – ziemlich doppeldeutig also dieser Ausdruck.

Von daher passt das Kreuz als Wendepunkt auf der Wanderung von Heike eigentlich ganz gut, denke ich so als Pfarrer. Berufskrankheit sozusagen. Bei Jesus war es ähnlich. Tiefer ging es nicht mehr. Er wurde verraten, verhaftet, gequält, schließlich ans Kreuz geschlagen und ist dann „hinabgestiegen in das Reich des Todes“ – so heißt es ja im Glaubensbekenntnis. Jeden Sonntag wird das in vielen Gottesdiensten gebetet.

Das Kreuz steht für symbolisch für Leiden. Oder wie Heike schreibt:

 

Alessa Holighaus:

„Ich war total aus der Puste. Die Muskeln brennen und mein Rücken tut weh. Und dazu noch die Hitze. Sogar hier oben in den Bergen bin ich am Schwitzen ohne Ende.“

 

 

 

Dejan Vilov

Das Photo wirkt dadurch ein bisschen unecht, verzerrt, unpassend oder „schief“, wie Heike es genannt hat. Die Idylle darauf passt nicht zu dem, was sie schreibt.

Allerdings: Auf der anderen Seite steht das Kreuz ja auch für das, was am dritten Tag passiert ist. Nämlich die Auferstehung. Ein neues Leben bei Gott. Eins ohne Schmerzen und ohne Leiden.

Klingt fast zu schön, um wahr zu sein, finden Sie? Ja, aber nur fast. Ich glaube, dass Gott es bei mir, nach meinem Tod, genauso machen wird wie bei Jesus. Und bei allen anderen Menschen auch. Und dann passt auch das Photo wieder. Idylle und Frieden pur. Ungefähr so, wie das, was Heike am Ende geschrieben hat.

 

Alessa Holighaus:

„Wir gehen jetzt mal weiter. Ich freue mich jetzt schon darauf, später im Hotel die Beine hochzulegen, zu entspannen und ein kühles Bier zu trinken. Wenn ich wieder zurück bin, auch gerne mal wieder mit Dir! Machs gut und bis bald!“