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Ernst des Lebens

Nicht mal sechs Jahre alt war ich am ersten Schultag. Aber sehr gespannt, wie versprochen oder angedroht den Ernst des Lebens kennenzulernen. Geboren waren alle meine Klassenkameraden und ich nach dem Krieg, aber wir lebten zwischen Ruinen in einem armen Land. Platz war knapp in dem einen Schulhaus, das die Bomben übrig gelassen hatten. Unterricht gab’s im Schichtbetrieb, auch mal für fünfzig Kinder aus zwei Jahrgangsstufen gleichzeitig. In meiner Klasse kamen die meisten aus Arbeiterfamilien und hatten mehrere Geschwister. Geld war knapp. Große Wünsche konnte man haben, nur erfüllt wurden sie nicht. Aber arm unter Armen: Damit lässt es sich wohl besser leben, als wenn die Mitschüler tatsächlich oder auch nur scheinbar alles haben.

Gestern hat im Saarland für einen neuen Jahrgang der Ernst des Lebens angefangen. Längst geht es Deutschland gut. Aber nicht alles ist anders als damals: Schulhäuser, nach über siebzig Friedensjahren in erbärmlichem Zustand. Eine Ausstattung, die zu oft nicht auf der Höhe der Zeit ist. Zu große Klassen und zu wenige Lehrer angesichts der so unterschiedlichen Hintergründe der Schüler.

Manchen fehlt’s an nichts. Andere, bei uns jedes sechste Kind, brauchen Hartz IV. Und zu integrieren sind auch die vielen Flüchtlingskinder, die schon mehr bösen Ernst des Lebens ertragen mussten, als viele von uns ahnen. Nicht nur Ruinen haben sie gesehen. Auch brutalen Kriegsalltag, lebensgefährliche Flucht, fremdes Land, unbekannte Kultur, Sprache, die man bestenfalls ein wenig versteht. Und selbstverständlich darf man darüber nicht vergessen: Auch auf die vielen verschiedenen Kinder ohne solches Sonderproblem wartet der Ernst des Lebens.

Inklusive Schule ist zweifellos eine gute Sache. Gelingen kann sie aber nur bei entsprechender Personal- und Sachausstattung. Die dürfen wir den Kindern nicht vorenthalten. Dafür sind sie zu wertvoll und wichtig. Schon zu biblischen Zeiten hat man das gewusst. Im Alten Testament gelten sie als ein Segen Gottes. Und Jesus stellt die Kinder in den Mittelpunkt. Gegen den Willen seiner Jünger lässt er Kinder zu sich kommen, um sie zu segnen.

Kinder sind Zukunft – und brauchen Zukunft. Die kostet heute Geld, aber Geld, das gut angelegt ist. Ohne diese Investition wird die Zukunft richtig ernst – für uns alle.