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Eine Kirche der Hoffnung

Es ist in den letzten Jahren viel geschrieben worden über den Reformbedarf der Kirchen. Meist geht es dabei um Strukturreformen, die helfen sollen, die Gemeinden angesichts zurückgehender Mitgliederzahlen neu zu ordnen oder – wichtiger noch -, Machtmissbrauch zu verhindern. Diese Debatten sind unerlässlich.

Von einer ganz anderen Seite kommt nun Monika Renz in ihrem Buch „Ich träume von einer Kirche der Hoffnung“. Der Autorin geht es um die Frage, wie Kirchen zu einem Ort werden (oder ein Ort bleiben) können, an dem Menschen Sinnerfüllung finden.

Monika Renz ist Theologin, Musikwissenschaftlerin und Therapeutin. Sie arbeitet am Kantonsspital St. Gallen in der Schweiz. Ihre zahlreichen Veröffentlichungen sind inspiriert aus ihrer langen Erfahrung in der Begleitung von Sterbenden und ihrer wissenschaftlichen Forschung im Grenzbereich von Sterben und Spiritualität.

Es ist die Erfahrung der menschlichen Not, die Monika Renz schreiben lässt:

„Auch heute bleiben kirchliche Bemühungen, Menschen in den Wurzeln ihrer Not zu erreichen, auf der Strecke. Einer der Gründe liegt darin verborgen, dass die Frage nach dem, was wirklich erlöst, zu wenig tiefgreifend gestellt wird. Problemlösungen werden auf einer einseitig pragmatischen oder sozialen Ebene gesucht, derweil das eigentliche Problem in einer uralten menschlichen Not gründet. Es betrifft die ganze Existenz des Menschen.“

Wie aber müsste eine Kirche sein, die an den existenziellen Fragen des Menschen ansetzt?

Monika Renz träumt „von einer religiösen Kirche, in der die je persönliche Beziehung zwischen Mensch und Gott gepflegt, ja sogar neu geboren wird.“

Sie träumt „von einer Kirche als Ort, wo Menschen in den Glauben innerlich hineingenommen werden. (…). Menschen brauchen selbst in ihrer Gottesabwendung nicht weniger, sondern mehr Gott. Und hierzu: Gotteserfahrung.“

Aus ihrer therapeutischen Erfahrung weiß die Autorin, dass diese existenzielle Not „nicht rational eingefangen werden kann, sondern – wenn überhaupt – durch entsprechende Kanäle und Medien erreicht wird: Tiefer als viele Worte und Erklärungen wirken Bilder, Symbole und Riten. Tiefer als Bilder und Symbole wirken Berührung, Düfte, Geschmäcker. Tiefer noch wirkt die Musik, die feine Welt der Schwingungen.“

Es gehe nicht darum, grundlegend Neues zu erfinden, so Monika Renz, sondern die Schriften und religiösen Traditionen, aber auch andersreligiöse Traditionen tiefer verstehen zu lernen und sie mit den tiefsten Sehnsüchten unserer Zeit in Berührung und in den Dialog bringen.

Ich lese das Buch von Monika Renz als Auftrag, die Kirchen zu Orten zu machen, die den Menschen mehr spirituelle Erfahrungen erlauben. Nicht um kurzlebige Gänsehautgefühle zu erleben. Sondern um echte Antworten auf die Sehnsüchte unserer Zeit zu finden. Denn primär sei, so die Autorin, das emotionale Geschehen – also dass der Mensch überhaupt angerührt werde.

Monika Renz‘ Traum von einer „Kirche der Hoffnung“ kommt zur rechten Zeit. Selten ist so spürbar geworden wie heute, wie dringend Menschen auf das Berührtwerden angewiesen sind: das unmittelbar physische ebenso wie das seelische.

Manches davon ist in Zeiten der Pandemie nicht möglich. Anderes aber schon: Die Kirchen als Orte der Begegnung oder der Stille sind da. Ihre musikalischen Ressourcen sind schier unerschöpflich. Die Traditionen und Riten, selbst wenn sie, wie Weihnachten, in zunehmend weltlichem Gewand erscheinen, sind vielen Menschen intuitiv wichtiger denn je.

Die Kirchen sind im Besitz großer Schätze, um „Kirchen der Hoffnung“ zu werden. Sie müssen sie nur heben.