Ein letzter Tanz

Vor kurzem habe ich einen waschechten Rock’n’ Roll Liebhaber beerdigt. Eins war beim Vorgespräch mit seinen Söhnen gleich klar: Musik von seiner Ikone Elvis muss es sein. Also schauen wir mal: Elvis hat ja auch Ruhiges gemacht, angemessen für eine Trauerfeier.
Doch je mehr ich über den Mann erfahre, desto mehr frage ich mich, wo in der Trauerfeier seine Liebe, nicht nur für Elvis, sondern für Rock’n’Roll vorkommt. „Aber das passt doch nicht zum Anlass oder?“ fragt einer der Söhne mich, als ich das thematisiere. „Zum Anlass passt, was zu Ihrem Vater passt.“, antworte ich. Und ich kann die plötzliche Leichtigkeit im Raum körperlich spüren. Ich hör den Stein fallen. Und nun sprudelt es nur so aus ihnen heraus. Es kommt Bewegung in unser Gespräch und bald ist klar: Jailhouse Rock soll es sein – ein richtiger Rock’n’Roll Klassiker.
Eine Woche später ist es so weit. Ein trauriger Tag für alle, Elvis singt seine ruhigen Töne. Und dann wollen wir uns auf den Weg zum Grab machen. Zum Auszug ein letzter Tanz für ihn. Ich bitte alle aufzustehen, lade ein, sich zur Musik zu bewegen. Es wird also geschmunzelt und geweint, gewippt und Zehen bewegt. Ganz gediegen. Einer Trauerfeier angemessen. Aber dann passiert es: die ältere Schwester des Verstorbenen steht auf ihren Rollator gestützt im Mittelgang und fängt plötzlich an zu tanzen. Mit Mitte 80. Rock’n’Roll. Sie sagt laut: „Du und ich, ein letzter Tanz.“ Und die Gänsehaut überläuft mich mit einer Mischung aus Traurigkeit und purem Glück.