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Ein Hoch auf Unkraut

„Unkraut gibt es nicht!“ schallt es laut durch die Luft. Ich spaziere an einer Reihe Schrebergärten vorbei als ich diese Stimme höre. Ein kleines Mädchen steht, die Hände in die Hüften gestemmt, in einem überwucherten Gemüsebeet. Sie ist in eine heftige Diskussion mit einem älteren Herrn, vermutlich ihr Opa, verstrickt. Der antwortet milde verzweifelt: „Schau‘ mal Lisbeth, die Möhren können doch gar keine Luft kriegen hier unter dem ganzen Unkraut!“

„Unkraut gibt’s nicht!“ wiederholt die kleine Lisbeth empört. „Es gibt ja auch keine Unbäume oder Unbüsche.“ Mein Blick trifft über dem Gartenzaun den von Lisbeths Opa. Hilflos hebt er die Arme zum Himmel und wir müssen beide lachen.

Wo sie Recht hat, hat sie Recht, denke ich und lasse meinen Blick durch die Schrebergärten schweifen: Disteln, Löwenzahn, Gänseblümchen blühen zwischen Randsteinen und Wegfliesen. Ich erinnere mich, dass mein Vater mir, als ich selbst noch ein Kind war, von der Heilkraft vieler sogenannter Unkräuter erzählt hat: Die Brennnessel z.B. enthält Eisen und Vitamin C, Löwenzahn hilft bei Nierenleiden.

Der kritische Blick der kleinen Lisbeth erinnert mich an den Auftrag, den wir Menschen von Gott bekommen haben: Sorgsam mit der Schöpfung umzugehen. Die Welt bebauen und bewahren, so heißt es in der Bibel. Dazu gehört manchmal auch, genau hinschauen. Wertschätzen, was die Natur bietet. Wissen bewahren. Und dann staunen, was man dann so alles zwischen Salatköpfchen und Möhrenpflänzchen findet, was man einst als Unkraut abgetan hat.