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Ein besonderes Lächeln

Sommerzeit ist Zeit zum Draußensein: Für alle Menschen, auch für mich. Ich bin gern draußen und im Sommer sehe ich dort auch mehr als an verregneten, kalten Tagen. Ich sehe die bettelnde Frau oder den Mann mit seinem Hund, der neben sich und seinem Hund den Hut aufgestellt hat, verbunden mit der Bitte um eine Spende. Ich schwanke zwischen Misstrauen und Mitgefühl, wenn ich arme Menschen in ihrer Not wahrnehme.

Der Mann lächelt mich an, als ich ihn ansehe. Mich trifft sein Lächeln. Es trifft mich tiefer als sein fast leerer Hut: Er hat mich angerlächelt! Der Monat hat noch einige Tage und doch ist sein Geld aufgebraucht. Ich möchte dies Gefühl nicht aus eigener Erfahrung kennenlernen: Geld alle und noch so viel Monat übrig. Das Lächeln des Mannes macht es mir deutlich: Die Not hat ihn wie viele andere Menschen auf die Straße getrieben. Seine Freundlichkeit trifft mein Misstrauen. Gern möchte ich wie viele in unserem Land mich selbst beruhigen mit einem Satz wie: „In unserem Land braucht niemand zu betteln.“ Doch manchmal eben schon. Und für immer mehr Menschen wird die Not gegen Ende des Monats größer, wenn die Unterstützung verbraucht ist und noch Tage übrig sind.

Ich frage mich: Wie kann der Mann lächeln? Armut bedeutet  doch immer auch Leiden. Leiden, für das erstmal niemand etwas kann: für die Verhältnisse, für einen gebrochenen Lebenslauf, für Verstrickungen und Schuld aller Art – erstmal nicht zu ändern. Rente, die nicht ausreicht, Unterstützung, die gering ist, Wohnraum, der einem Käfig gleicht– aber mich lächelt der Mann an. Und ich? Sein Lächeln trifft mich und ich denke an Worte aus der Bibel:

„Er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen, auf dass wir Frieden hätten. Wir aber hielten ihn für den, der von Gott geplagt wäre.“

Diese Sätze erregen mein Mitgefühl und ich lächle einfach zurück. Ich sage sogar: „Guten Tag“ und spüre den Segen dieses Augenblicks: Kostbar ist unser Lächeln unabhängig davon, ob ich ihm etwas in den Hut lege. Denn mein Mitgefühl ist ohne Bewertung, es kommt mir vor wie herbeigezaubert. Das Lächeln des Mannes macht mich aufmerksam für seine Schwäche und wenn ich habe, gebe ich: ich lade den Mann zum Kaffee ein, bevor ich meinen Weg fortsetze. Hinsehen und zurücklächeln, Pause machen und ein paar Worte wechseln kostet weniger Kraft als wegschauen und vorbeigehen. Weil wir beide Menschen sind.

Es ändert nichts an den Verhältnissen – weder an seiner Situation noch an der Armut, die mitten unter uns immer größer wird. Aber ein beantwortetes Lächeln tut trotzdem gut.

„Er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen, auf dass wir Frieden hätten. Wir aber hielten ihn für den, der von Gott geplagt wäre.“

Frieden sei mit Ihnen von diesem Gott, der auch im Alltag zu uns spricht – manchmal in Situationen, da wir es gar nicht vermuten: wie herbeigezaubert werden wir offen für ein Lächeln, das uns Frieden mitgeben kann für einen ganzen Tag, weil wir es aufnehmen. Friede sei mit Dir!