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Echtheit versus Makellosigkeit

Von der Titelseite einer Zeitschrift lächelt mich eine fast 60-jährige Schauspielerin an. Sie weist weder Poren, noch Falten, noch irgendwelche anderen Alterserscheinungen auf. Makellosigkeit in ihrer höchsten Form. Natürlich ist mir klar, dass das Foto bearbeitet worden ist. Realitätsferne lässt grüßen.

Das Streben nach Makellosigkeit ist allerdings nicht nur ein Phänomen der medialen Welt allein, sondern das Ergebnis des Strebens nach Perfektion, egal in welchem Lebensbereich. Für Fehler und Makel existiert heute offensichtlich kein Platz mehr. Funktionieren, optimieren, retuschieren, lautet die Devise. Menschen und Perfektion, das ist für mich ein Widerspruch in sich. Schlicht unmöglich.

Ein Leben ohne Fehler und Falten, wo würde das hinführen, frage ich mich? Das wäre doch ziemlich langweilig. Denn unsere äußeren und inneren Makel sind doch schließlich ein ganz besonderes Kennzeichen unserer Individualität.

Vor ein paar Monaten wurde in Frankreich ein neues Gesetz erlassen, das dazu verpflichtet, retuschierte Bilder zu kennzeichnen. Bearbeitungen mit Photoshop und anderen Softwareprogrammen sollen öffentlich gemacht werden, um keine falschen Botschaften zu senden. Ich finde das gut. Das schafft Realitätsnähe.

Spätestens vor Gott wäre alles Retuschieren ohnehin sinnlos. Denn er kennt mich durch und durch. Und akzeptiert mich so wie ich bin. Für ihn zählen nicht Äußerlichkeiten, sondern das, was in unserem Inneren ist. Deswegen heißt es im Matthäusevangelium auch: Glückselig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen (Mt 5,8 ELB).