Easter Suite

Musik 1: The Last Supper (1‘05“)
Autor: Einleitung und Gethsemane
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!
Ich begrüße Sie zu einer Morgenfeier am Ostermontag. Die Passions- und Osterzeit inspiriert seit Jahrhunderten Komponisten zu großformatigen musikalischen Nacherzählungen und Interpretationen der biblischen Überlieferung. Wie aber erzählen Jazzmusiker von Ostern?
Der legendäre Jazzpianist Oscar Peterson hat uns mit seiner „Easter Suite“ eine persönliche und eigenständige Umsetzung der Passionsgeschichte geschenkt. Obwohl sie ziemlich unbekannt ist, gilt die Easter-Suite als eines seiner Hauptwerke. Insgesamt neun Songs spannen den Bogen vom Leiden und Sterben zur Auferstehung Jesu. Eben hörten Sie den ersten Teil: „The Last Supper“, das letzte Abendmahl. Die Suite wurde von der BBC in Auftrag gegeben und am Karfreitag 1984 im britischen Fernsehen gesendet. Die Premiere spielte Petersons eigenes Trio. Jeder Ton des kanadischen Pianisten, des Bassisten Niels-Henning Ørsted Pedersen und des Schlagzeugers Martin Drew lässt spüren, wie ernst sie die Passionsgeschichte nehmen. Diese Fernsehproduktion von 1984 ist die einzige «Easter Suite»-Aufnahme, die uns von Peterson erhalten geblieben ist. Und es ist das einzige von ihm überlieferte religiöse Werk.
2006 hat das Bielefelder Jazz-Trio mit Olaf Kordes am Flügel, Wolfgang Tetzlaff, Kontrabass, und Karl Godejohann am Schlagzeug die Easter Suite neu eingespielt. Weitere Teile dieser Aufnahme werden diese Morgenfeier begleiten, als nächstes das zweite Stück: „The Garden of Gethsemane.“
Zuvor die dazu zugrunde liegende Bibelstelle aus dem Markus-Evangelium:
Markus 14, 32-42
Jesus und seine Jünger kamen zu einem Garten, der Getsemani hieß. Dort sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Bleibt hier sitzen, während ich bete.«
Er nahm Petrus, Jakobus und Johannes mit sich. Plötzlich überfielen ihn Angst und Schrecken, und er sagte zu ihnen: »Ich bin verzweifelt und voller Todesangst. Wartet hier und bleibt wach.«
Er selbst ging noch ein paar Schritte weiter. Dort warf er sich zu Boden. Er bat Gott darum, ihm diese schwere Stunde zu ersparen, wenn es möglich wäre. Er sagte: »Abba, mein Vater, für dich ist alles möglich. Nimm doch diesen Becher fort, damit ich ihn nicht trinken muss! Aber nicht das, was ich will, soll geschehen – sondern das, was du willst!«
Jesus kam zu den drei Jüngern zurück und sah, dass sie eingeschlafen waren. Da sagte er zu Petrus: »Simon, du schläfst? Konntest du nicht diese eine Stunde wach bleiben? Bleibt wach und betet, damit ihr die kommende Prüfung besteht! Der Geist ist willig, aber die menschliche Natur ist schwach.«
Dann ging er ein zweites Mal weg und betete mit den gleichen Worten wie vorher. Als er zurückkam, sah er, dass seine Jünger wieder eingeschlafen waren. Denn die Augen waren ihnen zugefallen – so müde waren sie. Und sie wussten nicht, was sie antworten sollten.
Als Jesus das dritte Mal zurückkam, sagte er zu ihnen: »Schlaft ihr immer noch und ruht euch aus? Es ist so weit. Die Stunde ist da! Seht doch: Jetzt wird der Menschensohn ausgeliefert in die Hände der Sünder. Steht auf, wir wollen gehen. Seht: der mich verrät, ist schon da.«
Musik 2: The Garden of Gethsemane (4‘36“)
Autor: Swing
Oscar Peterson glaubt an Gott. Das verrät jeder Ton seiner Ostersuite – sei es das melancholische Abendmahl, sei es ein einsam-nachdenklicher Spaziergang durch den Garten Gethsemane. Er nimmt die Passionsgeschichte ernst. Natürlich swingt die Musik, und selbst der von Jesus am Kreuz ausgestoßene Satz “Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?” wird bei Oscar Peterson nicht zum neutönerischen Aufschrei: er hat sich sich für ein leises, verinnerlichtes Herangehen in seiner Komposition entschieden.
Ich lese ich die entsprechende Stelle aus dem Markus-Evangelium:
Markus 15, 6-15
Es war die sechste Stunde, da breitete sich Finsternis aus über das ganze Land. Sie dauerte bis zur neunten Stunde. In der neunten Stunde schrie Jesus laut: »Eloi, Eloi, lema sabachtani?« Das heißt übersetzt: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?«
Als sie das hörten, sagten einige von denen, die dabeistanden: »Habt ihr das gehört? Er ruft nach Elija.«
Einer lief hin und tauchte einen Schwamm in Essig. Den steckte er auf eine Stange und hielt ihn Jesus zum Trinken hin. Er sagte: »Lasst mich nur machen! Wir wollen mal sehen, ob Elija kommt und ihn herunterholt.«
Aber Jesus schrie laut auf und starb. Da zerriss der Vorhang im Tempel von oben bis unten in zwei Teile.
Und nun Oscar Peterson musikalische Interpretation dieser Bibelstelle: „Why have you forsaken me?“, der siebte Titel der Easter Suite:
Musik 3: Why have you forsaken me? (4‘21“)
Autor: Judas
Oscar Petersen erzählt die Passionsgeschichte nicht als Tage voll blutrünstiger Gewalt und Menschenverachtung. Stattdessen nimmt er sie als Anlass zur dankbaren Selbstvergewisserung, dass Jesu Leiden ihn und die Menschheit erlöst haben. Leise und frei von Hass fragt sein Jesus den Jünger Judas Ischarioth: “Warum hast du mich verraten?” – und dies wirkt so abgeklärt, dass es keiner Antwort bedarf.
„Why have you betrayed me?“ – der vierte Song der Easter Suite:
Musik 4: Why have you betrayed me? (4‘07“)
Autor: Auferstehung
Die auf dem Kreuzweg häufig gestellte Frage “Are You Really King Of The Jews?” ist bei Oscar Petersons „Easter Suite“ Anlass für einen kurzen Dialog von Bass und Piano, zeugt aber ebenso wie die übrigen Passagen von einer allen Anfeindungen überlegenen Güte Jesu. Jesus ist mit allem einverstanden, was Gott für ihn vorgesehen hat, und – so Oscar Petersons Haltung – der Band steht es nicht an, darüber ein Klagelied anzustimmen. Glück, ja überschwängliche Freude symbolisiert folgerichtig das Finale der Easter Suite: “He Has Risen”. Jesus ist auferstanden und zu seinem Vater Gott zurückgekehrt.
Der Text aus dem Matthäus-Evangelium:
Matthäus 28, 5-10
Der Engel sagte zu den Frauen: »Fürchtet euch nicht! Ich weiß: Ihr sucht Jesus, der gekreuzigt wurde. Jesus ist nicht hier. Gott hat ihn von den Toten auferweckt, wie er es vorausgesagt hat. Kommt her und seht: Hier ist die Stelle, wo er gelegen hat. Jetzt geht schnell zu seinen Jüngern! Sagt ihnen: ›Jesus wurde von den Toten auferweckt.‹ Er geht euch nach Galiläa voraus. Dort werdet ihr ihn sehen. Auf diese Botschaft könnt ihr euch verlassen.«
Die Frauen waren erschrocken und doch voller Freude. Schnell liefen sie vom Grab weg, um den Jüngern alles zu berichten. Da kam ihnen Jesus selbst entgegen und sagte: »Seid gegrüßt!«
Sie gingen zu ihm, berührten seine Füße und warfen sich vor ihm zu Boden. Da sagte Jesus zu ihnen: »Fürchtet euch nicht! Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen. Dort werden sie mich sehen.«
Musik 5: He has risen (4‘09“)