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Dumme Fragen?!

„Es gibt keine dummen Fragen, es gibt nur dumme Antworten.“ Wie oft habe ich diesen Satz in meiner Schulzeit gehört? 100 Mal? 200 Mal? Noch öfter? Ich weiß es nicht mehr genau. Aber ich weiß, dass er nur selten geholfen hat. Mir zumindest. Oft habe ich mich trotz des Satzes nicht getraut, meine Fragen zu stellen. Was, wenn deine Frage doch dumm ist?, habe ich gedacht. Wenn alle anderen die Antwort darauf wissen, bloß ich nicht. Wenn keiner auch nur annähernd versteht, wie ich überhaupt auf so eine Frage kommen kann? Dann werden alle lachen und ich bin der Depp. Nein, danke. Dann stelle ich meine Frage lieber nicht. Denn nur weil die Lehrer sagen, dass es keine dummen Fragen gibt, muss das ja noch lange nicht stimmen.  Und ganz ehrlich: Es gibt schon Fragen, bei denen ich denke: Häh? Was soll das? Ist das wirklich ernst gemeint oder will mich da jemand auf den Arm nehmen?

Jesus zum Beispiel hat mal so eine Frage gestellt. Der Evangelist Johannes berichtet davon. Da ist ein kranker Mann. Er kann nicht laufen. Seine Beine wollen nicht so, wie er will. 38 Jahre lang schon. Wenn man bedenkt, dass die Menschen zur Zeit Jesu im Schnitt nicht viel älter als 40 geworden sind, ist der Mann also schon ein ganzes Leben lang krank. Eines Tages trifft Jesus diesen kranken Mann und fragt ihn allen Ernstes: „Willst du gesund werden?“

Entschuldigung, was ist das für eine Frage! „Willst du gesund werden?“ Natürlich will der Mann gesund werden, schließlich ist er seit achtunddreißig Jahren krank. In Gedanken antworte ich für den Kranken: „Ja, natürlich will ich das. Nichts anderes als gesund sein will ich.“ Das ist für mich die einzig denkbare Antwort auf diese Frage. Deshalb bin ich umso überraschter über die Antwort, die der Kranke gibt. Er sagt: „Herr, ich habe keinen Menschen…“ Der Mann ist offenbar nicht nur krank, sondern auch einsam. Und darunter leidet er offenbar mehr als unter seiner Krankheit.

Jesus erkennt das. Er sieht den Mann so, wie er ist. Krank und allein, umgeben von Menschen, die an ihm vorbeigehen und dennoch einsam. Deswegen wendet er sich dem Mann zu und stellt ihm eine ganz ehrlich gemeinte Frage: „Willst Du gesund werden….“ Und bekommt die Antwort: „Herr, ich habe keinen Menschen… Ich bin allein, einsam, keiner hilft mir.“ Und Jesus, ganz pragmatisch, sagt zu dem kranken Mann: „Steh auf, nimm dein Bett und geh!“ Und der Kranke tut das. Plötzlich kann er gehen, seine Beine gebrauchen. Er ist geheilt. Und so geht er – wieder unter die Menschen, die ihn alleine gelassen haben.

Das war vor knapp 2000 Jahren. Wir heute können das nicht. Können nicht wie Jesus die Naturgesetze außer Kraft setzen und einfach so Menschen wieder gesund machen, Lahme zum Gehen zu bringen. Dieses Wunder konnte nur Jesus vollbringen. Aber wir können die Einsamkeit vieler Menschen heilen, indem wir uns einfach denen zuwenden, die allein sind, einsam in ihren Zimmern sitzen und warten. Darauf, dass jemand mal vorbei kommt und nach ihnen schaut. Wir müssen keinen Kuchen oder einen großen Blumenstrauß dabei haben. Unser Besuch muss einfach nur ehrlich gemeint sein. Das sind dann die kleinen, aber feinen Wunder des Alltags, wenn Menschen wieder Anschluss bekommen, nicht mehr einsam und allein sind. Das klingt so banal. Ist es aber offenkundig gar nicht. Denn kranke und einsame Menschen gibt es mehr und mehr. Ich frage mich, was sie wohl antworten würden, wenn Jesus sie fragte: „Willst Du gesund werden?“ Diese nur scheinbar dumme, in Wahrheit aber sehr gute Frage.

Manchmal – das muss ich im Nachhinein feststellen – hatten meine Lehrer in der Schule doch recht. Es gibt einfach keine dummen Fragen. Und manche Antwort, so seltsam sie auch klingen mag, ist gut durchdacht. „Willst Du gesund werden?“ Schön, wenn man dann antworten  könnte: „Ja, und ich habe Menschen, die mir dabei helfen.“