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Die Zunge ist das Ruder

„Großhirn an alle, fertig machen zum Ärgern! Großhirn an Faust: Ballen. Großhirn an Zunge: Schimpfen, Fluchen, Hetzen“.

Otto Waalkes hat das geschrieben. Da geht es um eine Szene in einer Kneipe, kurz bevor die Schlägerei losgeht. In den Siebzigern war das. Ein Klassiker. Aber: Otto hatte Unrecht. Würde zumindest der Schreiber des Jakobusbriefes in der Bibel sagen. Denn der meint: „Ihr kennt doch große Schiffe auf dem gewaltigen Ozean. Wind und Wellen werfen sie hin und her. Gesteuert werde sie aber alles von einem kleinen Stück Holz, dem Ruder. So ist auch die Zunge. Klein, aber sie steuert den ganzen Körper.“ Nicht das Großhirn ist hier entscheidend, sondern die Zunge. Sie kann eine Menge kaputt machen.

Giftige Worte bemerken wir schon fast nicht mehr, so üblich ist es geworden, sie zu benutzen. Schimpfwörter, Flüche, Hetzreden. Da ist in den letzten Monaten so manches Tabu gefallen. Darüber denkt man schon kaum noch nach. Gleichzeitig stehen wir in der letzten Zeit ziemlich ratlos vor jenem Phänomen: Rechtsradikale oder Islamisten fahren in Menschengruppen hinein. Benutzen einen Alltagsgegenstand wie das Auto als tödliche Waffe. Und wir wissen: Keine Polizei und keine Absperrungen werden helfen, wenn Menschen so drauf sind. Ich glaube: Wenn wir verstehen wollen, was ihren Gedanken so vergiftet hat, dann müssen wir Wörter in den Blick nahmen. Wörter, die diese Menschen zunächst gehört, dann selber gedacht, dann selber gesagt, und schließlich getan haben?

Also: Vielleicht denken wir mal alle über unsere Zunge nach.