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Die Welt ist schön

Der Mai war herrlich. Alles grünt. Alles blüht. Alles gut. Die Welt ist schön.

Ja, sagen die jungen Leute von der sogenannten „Letzten Generation“, aber das bleibt nicht so, wenn wir nicht endlich ernst machen mit dem Klimaschutz. Sie fordern das Neun-Euro-Ticket und ein Tempolimit. Um ihren doch ziemlich bescheidenen Forderungen Nachdruck zu verleihen, kleben sich manche von ihnen auf Straßen fest und blockieren den Verkehr. Klar, das nervt und strafbar ist es auch. Teile der Politik warnen deshalb vor der Radikalisierung der „Letzten Generation“. Manche reden gar von einer „Klima-RAF“. Da erscheint es nur folgerichtig, dass in der letzten Woche bundesweit Razzien bei Mitgliedern der „Letzten Generation“ stattgefunden haben. Wenn die Klimaaktivisten Straftaten begehen, werden sie natürlich bestraft. Das nehmen sie bewusst in Kauf. So weit, so gut. Aber „Klima-Terrorismus“ und Razzien wie gegen das organisierte Verbrechen? Wegen Tempolimit, Neun-Euro-Ticket und ein bisschen Patex. Geht’s noch?

Eine große Wochenzeitung schrieb dann auch in ihrer letzten Ausgabe von der Radikalisierung der „Generation Weiterso“ – und meint damit jene Kräfte in Politik und Gesellschaft, die beim Klimaschutz noch immer bremsen, wo es nur geht. Unabhängig von der Frage nach dem richtigen Maß und Tempo beim Klimaschutz: So verliert die Politik viele Menschen. Nicht nur die Aktivisten, sondern auch viele von denen, die zumindest ihre Anliegen teilen.

Wie man Menschen verliert, haben wir in den Kirchen lange genug vorgemacht: Ihre Anliegen nicht ernstnehmen. Sie bevormunden. Missstände vertuschen, solange es geht. Kritik in den Netzwerken der Macht ins Leere laufen lassen. Notwendige Veränderungen auf die lange Bank schieben. Hundertausende haben die Kirchen verlassen. Mir, als bekennendem Christen und Mann der Kirche, blutet das Herz. Weil Kirche doch viel mehr ist als all das.

Wir müssen aufpassen, dass nicht auch die Demokratie ausblutet. Die Demokratieverächter werden sowieso immer stärker. Selbst wenn wir die Anliegen der Klimaaktivisten vielleicht nicht teilen und ihre Methoden fragwürdig finden: Die Demokratie muss den Streit nicht nur aushalten. Sie braucht ihn. Die Demokratie kann es sich schlicht nicht erlauben, engagierte Leute zu verlieren.

 

Der Link zur Mediathek: https://www.sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=128285