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Die Schere der Vollkommenheit

Zwei Frauen haben sie gefunden. Die Schere der Vollkommenheit. Sie ist so klein, dass man sie nur im Mikroskop sehen kann. Aber sie kann fast alles: Bakterien so verändern, dass sie Arznei, Gentests und Impfstoffe herstellen, die Eigenschaften von Nutzpflanzen verbessern, Kraftstoffe produzieren. Sie kann die winzigen Stränge schneiden, die in den Zellen aller Lebewesen deren Eigenschaften festlegen, die DNA. Zielgenau findet sie den Abschnitt, der für eine bestimmte Eigenschaft verantwortlich ist und schneidet ihn heraus, fügt etwas ein, ändert den Lebensbauplan. Unglaublich, dass so etwas möglich ist. Unglaublich auch, was man damit alles machen kann. Vielleicht wird man einmal Krebs und Erbkrankheiten heilen können, eine kaputte Leber nachzüchten, das Leben verlängern, gar den Tod abschaffen, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Ist das alles wünschenswert? Sicher nicht. Zwischen den vielen Segnungen verbergen sich Risiken und Nebenwirkungen. Was passiert mit all den manipulierten Bakterien, wenn sie ungewollt oder absichtlich in die Umwelt gelangen? Zurückholen kann sie niemand. Sollte man Eltern ermöglichen, ihre Kinder im Labor zu planen? Designerbabies, der jeweiligen Mode folgend? Natürlich nur für solche, die es bezahlen können. Und vor allem: Wäre es wünschenswert, unbegrenzt zu leben – so dass man irgendwann – wenn überhaupt – selbst einmal den Stecker ziehen muss? Sicher nicht. Aber wo verläuft die rote Linie?

Das hängt ab von unserem Menschenbild. Für Christen ist das Leben grundsätzlich begrenzt. Es ist Geschenk Gottes, damit unverfügbar. Das heißt nicht, dass ein 20-jähriger Krebspatient sterben soll. Aber den Traum von ewiger Jugend träumt man besser nicht. Christen kennen eine andere Form von Unbegrenztheit. Das „ewige Leben“, von dem das Glaubensbekenntnis spricht. Es ist keine Fortsetzung des Zeitlichen, sondern in einem anderen Wirklichkeitsraum gedacht. Die Bibel nennt ihn das Reich Gottes. Es ist nicht von dieser Welt, aber es leuchtet als Hoffnungshorizont in diese Welt hinein. Darum können Christen sich mit ihren natürlichen Grenzen und der Unvollkommenheit abfinden, im Vertrauen auf Gott.