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Die Erfahrung der Frauen

Für die einen war es ein Sabbat wie jeder andere. Ruhe kehrte ein. Keine Hektik. Keine Arbeit. Am siebten Tage sollst du ruhen. Du und dein ganzes Haus. „Denn Gott selbst segnete den siebten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die er geschaffen und gemacht hatte.“ Ruhig werden. Innehalten. Sich bewusst werden, dass Leben nichts Selbstverständliches ist. Den einen gelang das an diesem Sabbat.

Die anderen sehnten das Ende herbei. Es war keine Zeit, ruhig zu werden. Keine Möglichkeit innezuhalten. Was am Tag vorher geschehen war, war so niederschmetternd, so erbarmungslos traurig. Zu sehen, dass der Mensch, auf den sie alle Hoffnung gesetzt hatten, die schlimmste Strafe erlitt. Wer wollte da ruhig werden? Wer wollte da den Feiertag heiligen?

Sie hatten noch diese Szenen vor Augen. Die lauten Rufe, die Forderungen nach seinem Tod. Wie er zu sterben habe. Keine Begnadigung. Kreuzige ihn. Aber was hat er denn getan? Kreuzige ihn. Kreuzige ihn.

Dieser Forderung war Pilatus gefolgt. Zusätzlich hat man Jesus noch verspottet. Eine Krone wurde ihm aufgesetzt aus Dornen und ein Mantel umgehängt, dem „König der Juden“. Da ist wirklich jede Hoffnung gestorben. Sein Schrei hatte es offenbart: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.

Viele von denen, die ihn in den letzten Monaten begleitet hatte, waren zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr da. Viele von denen, die ihn verehrt hatten wegen seiner Worte und wegen seiner Taten, waren geflohen. Er war doch so furchtlos aufgetreten, hatte seine Meinung geäußert, auch gegenüber den Autoritäten. Er hatte etliche überzeugt.

Doch plötzlich war alles nur noch Schall und Rauch. Der Vergänglichkeit unterworfen, nichts Bleibendes, nur eine vorübergehende Episode. Die Enttäuschung war riesengroß. Auch deswegen hatten sich viele abgewandt. Irgendwie auch verständlich.

Die sich abgewandt hatten und geflohen waren, bekamen natürlich nicht mit, dass es auch noch andere gab: Leute, die versuchten, für ihn einzutreten. Die ihm beistanden, sein Kreuz trugen, um ihn weinten. Unter anderem viele Frauen, die mit ihm den weiten Weg nach Jerusalem hinauf gegangen waren. Und sie bekamen ebenso wenig die Worte des Hauptmanns mit, der etwas sagte, was schwer einzuordnen war: „Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!“

Wie sollten sie ausgerechnet das glauben, Maria Magdalena und Maria, die Mutter Jakobus des Kleinen und des Joses, und Salome? Jesus – war er wirklich Gottes Sohn? Nein, auch diese letzte Hoffnung war zerschlagen. Gott hätte dieses Sterben niemals zugelassen.

Dennoch sind sie nicht geflohen, sondern haben den Anblick ertragen. Wollten ihm in dieser letzten Stunde so nahe sein wie nur irgend möglich. Und sahen, wie der Ratsherr Josef von Arimathäa  zu Pilatus gegangen ist und um den Leichnam Jesu gebeten hat. Sie sahen auch, in welches Felsengrab er gebracht wurde. Und nahmen sich vor, ihm auch diesen letzten Dienst zu erweisen. Den Leichnam mit wohlriechenden Ölen zu salben. Doch dafür war noch ein Tag Zeit. Diesen einen Tag mussten sie erstmal überstehen.

Alle, die solche Verlusterfahrungen auch schon einmal gemacht haben, wissen oder ahnen zumindest, wie es den drei Frauen erging. Ihre Zukunftswege waren verbaut. Sie mussten sich ganz neu orientieren. Und natürlich stellten sich Fragen: Was hätte man noch tun können? Wäre er nicht doch zu retten gewesen? Was ist jetzt mit ihm? Es waren auch Fragen an sich selbst, an die eigene Person. Es waren die eigenen Ängste. Nur Ängste. Alle ihre Hoffnung war an diesem Sabbat gestorben. Mit Jesus. Aber sie sollte auch wieder mit ihm auferstehen. Maria Magdalena und Maria, die Mutter Jakobus des Kleinen und des Joses, und Salome haben es als erste erfahren.

Bis heute haben wir teil an dieser Erfahrung. Alles, was Christus Jesus gelehrt und gelebt hat, ist weiterhin gültig. Denn mit seinem Tod und seiner Auferstehung ist tatsächlich alles vollbracht.