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Die arme Seele

Ein Chinese wollte bei ebay seine Seele versteigern. Damit hat er dem Auktionshaus einiges Kopfzerbrechen bereitet: Konnten Käufer damit rechnen, das Ersteigerte zu bekommen? War der Verkäufer befugt, so was anzubieten? Gab es ein Umtauschrecht? Am Ende hat der Auktionator den Vorgang gestoppt. Das Auktionshaus war um seinen Ruf besorgt. Doch wollte der Spaßvogel aus Shanghai wirklich nur e – bay lächerlich machen? In jedem Fall hat er große Resonanz erzielt und nebenbei an etwas fast Vergessenes erinnert. Wer spricht heute noch von der „Seele“? Gibt es sie überhaupt?

Es gibt zumindest eine Wissenschaft, die sich mit ihr beschäftigt, die Psychologie, zu deutsch: Wissen von der Seele. Die Psychologie interessiert sich allerdings nur für ihr Funktionieren: Lernen, Gefühle, Verhalten und all die Erkrankungen. Daneben gibt es noch die Seelsorger und deren Disziplin: Sie geht in die Tiefe. Fragt: Wer bist Du eigentlich? Was willst du mit deinem Leben anfangen? Welches sind deine großen Hoffnungen und Ängste? Hier geht es um dieses flatterhafte Ich, das Freunde mit unserem Vornamen anreden, das mit Furcht und Überschwang, Sorge, Begehren und Not stets dabei ist, aber sofort davon fliegt, wenn wir nach ihm greifen. Das uns wissend macht im Gewissen und ein Gegenüber sucht. „Ich“ oder „Bewusstsein“ umschreiben es nur teilweise. Was ist die Seele wirklich?

Die Neurowissenschaft hält sie für eine Fiktion. Sie wird als Epi – Phänomen bezeichnet, eine Erscheinung an der Oberfläche von  Gehirnprozessen. Grundlegend seien biochemische Vorgänge zwischen Gehirnzellen. Diese bilden Netzwerke, indem sie sich für eine Zeit lang gegenseitig Signale senden. Sie blinken im gleichen Rhythmus wie ein Verbund kleiner Leuchttürme. So lange das geschieht, sei ein Gedanke, ein Gefühl, eine Wahrnehmung vorhanden. So bilden sich komplexe Raum – Zeit – Eindrücke – die Grundlage unseres bewussten Erlebens. Die Seele – Eine biochemische Maschine, die Wahrnehmungen, Erinnerungen und Gefühle verarbeitet? Eine Bühne, auf der sich ein Welttheater selbsttätig aufführt? Viel spricht dafür, auch wenn das meiste noch unklar ist.

Ein Sachverhalt jedoch steht fest: Eine Seelensubstanz, ein Stoff, der den Körper bewohnt und unabhängig von ihm existieren kann, in dem sich unsere Person konzentriert, wurde bisher nicht gefunden. Und es sieht nicht danach aus, dass sie sich irgendwann noch zeigt. Das wird manche schockieren. Wäre die Seele nämlich nur ein Hirnprozess, kann sie nicht unsterblich sein. Sobald das Gehirn aufhört und nichts mehr blinkt, wird auch nichts mehr erlebt. Ist das für gläubige Menschen enttäuschend? Bedrohlich gar?

Eigentlich nicht. Denn lesen wir unsere Bibel genau, so ist dort kaum je die Rede von einem Weiterleben der Seele. Wozu auch? Eine spukhafte Existenz nach dem Tod? Gespenster geben ein trauriges Bild ab. Eine Wiedergeburt zwei Dörfer weiter? Oder als Frosch? Eigentlich ist man doch froh, so manchen Ärger hinter sich zu haben. Die christliche Hoffnung ist viel konsequenter. Sie macht keine faulen Kompromisse mit unserem aktuellen, vergänglichen Dasein. An Ostern, erzählen die Evangelien, sei Jesus in ein neues, unvergleichliches Leben auferstanden. Da ist nichts mehr wie vorher. Am Ende der Bibel sagt Gott: „Siehe, ich mache alles neu!“, und das muss man wörtlich nehmen.

Wenn es eine Zukunft gibt für das, was wir Seele nennen – dann in etwas ganz anderem, in einem Dasein, das nicht von dieser Welt ist. Nur darauf lohnt es sich zu hoffen.

Darum kann es uns egal sein, ob wir auf einer Theaterbühne leben, die sich selbst bespielt. Die Vergänglichkeit hat sogar etwas Entlastendes. Weil wir ohne Hypotheken und ohne Vorausleistungen hoffen dürfen – auf etwas ganz Neues, das uns nur Gott schenken kann.