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Die andere Wange hinhalten

77. So viele Menschen hat der norwegische Rechtsradikale Anders Behring Breivik im Juli 2011 in Oslo und auf der Insel Utoya getötet. Bei der Trauerfeier für die Opfer hat der damalige norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg dann unvergessliche Worte gesagt: „Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit“. Hört sich paradox an: Da schlachtet ein irrer Fanatiker 77 junge Menschen ab, verletzt und traumatisiert andere Dutzende schwer. Und der an oberster Stelle für die Sicherheit der Bürger verantwortliche Politiker sagt: „Wir schotten uns nicht ab. Im Gegenteil: Wir wollen offener und menschlicher handeln, um solche Taten zu verhindern“.

In der letzten Zeit muss ich wieder oft an Stoltenbergs Worte denken. Denn nach den Anschlägen von Paris und Brüssel, zuletzt nach dem Massaker von Orlando mehren sich die Stimmen, die genau das Gegenteil fordern: hartes Durchgreifen, mehr Kontrollen, weniger Freiheit.

Jesus hat mal gesagt: „Wenn dich einer auf die linke Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“ (Mt. 5, 39). Damit meint Jesus nicht, dass wir uns alles gefallen lassen müssen. Er hält uns aber davon ab, eine endlose Spirale von Gewalt und Gegengewalt auszulösen.

Natürlich gibt es keine 100-prozentige Sicherheit. Für niemanden, nirgendwo, und wir müssen wachsam sein. Aber wir dürfen uns nicht von Misstrauen und Angst leiten lassen. Nach Orlando hat das der US-amerikanische Late-Night-Talker Jimmy Fallon wunderbar auf den Punkt gebracht: “Liebt euch weiter, respektiert euch weiter, tanzt weiter!”.