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Die andere Straßenseite

„Das Schlimmste für mich war, dass manche Leute die Straßenseite gewechselt haben.“ Das sagt mir eine Witwe, als ich sie einige Wochen nach der Beerdigung ihres Mannes besuche. Die Leute hätten sich so seltsam verhalten nach dem Tod ihres Mannes. Als wäre sie eine Aussätzige. Selbst langjährige gute Freunde hätten sich seither nicht gemeldet.

„Und gab es auch gute Begegnungen?“, frage ich. „O ja“, sagt die Frau. „Das waren wenige, aber die haben mir gut getan. Wenn einfach mal jemand auf mich zugekommen ist und gefragt hat: Wie geht es dir? Oder wenn eine Freundin tatsächlich mal ganz viel Zeit für mich gehabt und mir einfach nur zugehört hat. Und der es auch nicht peinlich war, wenn ich immer wieder mal geweint habe. Das hat mir gut getan.“

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die Begegnung mit dem Tod hilflos und ratlos machen kann. Wenn ein Mensch stirbt, erinnert uns das an unsere eigene Sterblichkeit. Am liebsten lassen wir den Gedanken, dass wir sterben müssen, nicht an uns heran. Das ist auch der Grund, warum manche Menschen Trauernden aus dem Weg gehen. Trauernde konfrontieren uns mit dem Tod, auch mit dem eigenen. Ich persönlich kann besser mit dem Tod umgehen, seit ich Frieden in dem Gedanken gefunden habe, dass mein Leben und mein Sterben in Gottes Hand liegen. Im Leben und erst recht im Tod kann ich mich in Gottes Arme fallen lassen. Sie empfangen mich auch nach dem Sterben.

Deshalb fällt es mir nicht mehr schwer, mit Tod und Trauer umzugehen. Die Erfahrung der Witwe hat mich aber noch einen Schritt weiter gebracht. Wenn ich weiß, dass ein Mensch gerade einen Angehörigen oder Freund verloren hat, gehe ich heute wenn möglich direkt auf ihn zu. Frage, was gewesen ist, und wie es ihm geht. Und erlebe, wie gut das tut. Uns beiden.