Beiträge

Die 1. Reformation

Noch drei Tage, dann ist er endlich da: Der 500. Jahrestag des Thesenanschlag Martin Luthers in Wittenberg. Es war der Startschuss zur Reformation, die ganz Europa verändern sollte. Doch schon 100 Jahre vor Luther hatte es – ausgehend von Prag – bereits eine Reformation gegeben. Eine erste Reformation sozusagen, ebenfalls mit großer europäischer Wirkung. Sie ist verbunden mit dem Namen Jan Hus. Der Theologe und Prediger musste für seine Ideen sterben. Als Ketzer verurteilt vom Konzil zu Konstanz.

Jan Hus und seine Schriften sind auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden: nicht aber seine kühnen reformatorischen und gesellschaftskritischen Gedanken. Hus forderte – und das im sogenannten „finsteren Mittelalter“ – die Gleichheit aller vor dem Gesetz, vom König angefangen bis zum Bettler; nicht aus purer Gleichmacherei, sondern weil vor Gottes Gesetz alle gleich sind, auch gleichverantwortlich. Hus hat sich dabei ausschließlich auf die Bibel berufen; sie war für ihn das „Himmelreich“, und keine fürstliche oder bischöfliche Drohung konnte ihn davon abbringen. Kein Zweifel: Die erste Reformation in Prag durch Jan Hus gehört zu unseren besten Schätzen und Wurzeln. Sie hat Früchte getragen und liefert bis heute reiche Denkanstöße; insbesondere die bekanntere, zweite Reformation durch Martin Luther.

Heute – rund 600 Jahre nach dem Tod Jan Hus’ – ist die Gleichheit aller vor dem Gesetz in der EU-Verfassung verankert. Aber ich frage mich: Wie sieht es in der Realität aus? Und wie geht das moderne vereinte Europa mit der Wahrheit um, die Jan Hus ebenso wichtig war, – in der Politik, in gesellschaftlichem Umgang ebenso wie in Kirche und Wissenschaft? Unter Berufung auf die Bergpredigt Jesu hat Hus wörtlich gesagt: „Suche die Wahrheit, höre die Wahrheit, lehre die Wahrheit, sage die Wahrheit, halte die Wahrheit, verteidige die Wahrheit! (…) Je näher wir zur Wahrheit rücken, desto näher kommen wir zueinander.“