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Des Menschen Wille

„Des Menschen Wille ist sein Himmelreich.“ Der Spruch stammt von dem Dichter Johann Jakob Wilhelm Heinse, der im 18. Jahrhundert gelebt hat. Als Dichter der Aufklärung wollte Heinse mit diesem Satz vermutlich  den freien Willen des Menschen betonen; die Freiheit des Menschen, der keiner Autorität mehr unhinterfragt gehorchen muss; auch keiner göttlichen. Aufklärung eben.

Aber vielleicht hat ja auch Heinse schon einfach nur gemeint: Die Leute lassen sich eh nix sagen. So wie neulich im Zug:

Da setzt sich ein junger Mann neben mich. Seine völlig verdreckten Schuhe legt er auf das Sitzpolster gegenüber. Ich weiß ja, dass es klug gewesen wäre, den Mund zu halten, aber ich konnte nicht. Ich bitte ihn also höflich, seine verschmutzen Schuhe von dem Sitzposter zu nehmen. Darauf er: Nerv mich net, Opa. Ich bitte ihn noch einmal, seine Schuhe vom Sitz zu nehmen. Außerdem weise ich ihn darauf hin, dass ich nicht sein Opa sei und von ihm auch nicht geduzt werden wolle. Andere junge Leute solidarisieren sich mit ihm gegen den Oberlehrer – also mich – und eine junge Frau meint schließlich: Setz dich doch in die erste Klasse, Alter. Die Dreckschuhe bleiben auf dem Polster. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich.

Pubertären Größenwahn hat der Dichter Heinse aber sicher nicht gemeint mit dem Willen des Menschen. Der freie Wille, den die Aufklärung meinte, kannte durchaus eine Autorität. Die Vernunft nämlich. Der Mensch muss nicht wollen, was irgendeine Autorität von ihm verlangt, aber er soll wollen, was vernünftig ist.