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Der Tod eines Helden

Morgen vor 17 Jahren war meine Oma traurig. Nicht so sehr, dass sie geweint hätte, aber trotzdem niedergeschlagen. Was war passiert? An diesem Tag war einer ihrer Helden gestorben. Sein Name: Helmut Rahn. Einer der Weltmeister von 1954. Einer der Helden von Bern. Nach Fritz Walter wohl DER bekannteste Spieler der damaligen Elf. Der Siegtorschütze aus dem Finale gegen Ungarn. Meine Oma hat mir immer hat mir immer wieder davon erzählt. Wie sie mit ihrer Mutter in der Küche gesessen hat, auf dem Tisch das Radio und aus dem Radio die Stimme von Herbert Zimmermann gehört hat.

„Sechs Minuten noch im Wankdorf-Stadion in Bern, keiner wankt, der Regen prasselt unaufhörlich hernieder. (…) Jetzt Deutschland am linken Flügel durch Schäfer. Schäfers Zuspiel zu Morlock wird von den Ungarn abgewehrt – und Bozsik, immer wieder Bozsik, der rechte Läufer der Ungarn am Ball. Er hat den Ball – verloren diesmal, gegen Schäfer. Schäfer nach innen geflankt. Kopfball – abgewehrt. Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor!“

Der Volksmund spricht heute noch vom sogenannten Wunder von Bern. Denn die Ungarn schienen damals unschlagbar zu sein. Jetzt bin ich als Pfarrer mit dem Begriff „Wunder“ ein bisschen vorsichtig, aber das, was damals in Bern passiert ist, an dem Helmut Rahn mit seinem Siegtreffer maßgeblich beteiligt war, hat mich für trotzdem eine religiöse Komponente. Insofern nämlich, als es mich erinnert an die Geschichte vom Kampf David gg Goliath. Der kleine Hirtenjunge gegen den großen Elitesoldaten. Der eine mit einer Schleuder bewaffnet, der andere mit Schwert, Brustpanzer und Helm. Auf dem Papier auch eine absolut klare Angelegenheit. Die Realität allerdings hat das Ganze dann doch auf den Kopf gestellt. Wie in Bern.

Für mich sind das Geschichten, die Mut machen. Auch in sehr schwierigen Situationen; auch, wenn ich aller Vernunft und Wahrscheinlichkeit nach eigentlich chancenlos bin, kann es passieren, dass ich sozusagen als Sieger vom Platz gehe. Zugegeben: Das passiert nicht oft, wahrscheinlich sogar eher selten, sehr selten, aber es passiert. Ob das ein Wunder ist – wie gesagt – damit bin ich eher vorsichtig. Aber letztlich ist es egal, wie man so etwas dann nennt. Wichtig ist: Deutschland konnte gg Ungarn gewinnen und David gg Goliath. Und wichtig ist das, was meine Oma mir augenzwinkernd mit Blick auf das Endspiel von 1954 gesagt hat: Junge, denk immer dran: „Wenn Du keine Chance hast, dann musst Du eben die nutzen!“

 

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https://www.sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=91107