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Der Brückenbauer

Darf ich vorstellen: Philipp Schwarzerdt, vor 525 Jahren, am 16. Februar 1497, im badischen Bretten geboren! Der Mann ist Ihnen unbekannt? Vielleicht kennen Sie ihn unter seinem – wie damals in akademischen Kreisen üblich – ins Griechische übertragenen Familiennamen: Melanchthon, der Humanist, Pädagoge und Reformator.

Mit diesen Zuschreibungen ist seine Bedeutung für die Evangelische Kirche aber noch nicht erschöpft: der Freund Martin Luthers war ein Wegbereiter für den Dialog der Konfessionen heute: „Wir sind dazu geboren, uns im Gespräch einander mitzuteilen“, schrieb er, „etwa wie man am besten Geld scheffeln kann? Nein! Die Menschen sollen einander über Gott und die Grundlagen rechten Verhaltens unterrichten.“

Theologie und Bildung haben für ihn das Ziel, das „Leben zu verbessern“. Das ist für das Bildungsverständnis des Protestantismus bis heute wichtig! Melanchthons Bildungsreform war auch hierzulande, nach der Einführung der Reformation 1575 in der damaligen Grafschaft Nassau-Saarbrücken, mit seiner neuen Schulordnung vorbildhaft. Und er hatte übrigens noch kurz vor seinem Tode den ersten Saarbrücker Superintendenten ordiniert.

Auf sein grundlegendes protestantisches Bekenntnis von 1530, die „Confessio Augustana“, die dem Religionsfrieden dienen sollte, werden noch heute weltweit lutherische Pfarrerinnen und Pfarrer ordiniert!

„Außenminister der Reformation“ hat man ihn mit Recht auch genannt. Melanchthon pflegte diplomatische Kontakte zu deutschen Fürstenhöfen, hat in Sachen Reformation mit den Königen von Frankreich und England korrespondiert. 9000 Briefe in viele europäische Länder sind von ihm erhalten und erst zum Teil inhaltlich ausgewertet. Sein offenes Haus in Wittenberg, heute Museum, galt als gastfreie „Herberge der Christenheit“, in der er mit ausländischen Studenten und Gelehrten diskutierte. Luther war von seinem Kollegen an der Wittemberger Universität begeistert und stellte ohne Neid fest: „Der kleine Grieche übertrifft mich auch in der Theologie!“ „Kleiner Grieche“ – damit spielt er auf Melanchthons Lehrfach und gleichzeitig auf seine Gestalt an; so beschreibt einer seiner Studenten ihn 1523 als „eine kleine, magere, unscheinbare Person, wie etwa ein Knabe mit nicht einmal 18 Jahren!“

Zu Lebzeiten wurde Melanchthon als sachlicher, versöhnlicher, kompromissbereiter Mediator und kommunikativer Vermittler geschätzt, aber auch als „Leisetreter“, Verräter des Erbes Luthers und Verwässerer der Reformation geschmäht.

Unverständlich, dass dieser berühmte Universalgelehrte, zu dem Studenten aus ganz Europa in großer Zahl strömten, lange im Schatten Luthers stand und fast vergessen wurde. Immerhin zollte ihm vor 25 Jahren, zu seinem 500. Geburtstag, der damalige Freiburger Erzbischof, Dr. Oskar Sayer, öffentlich Respekt: „So können evangelische und katholische Christen heute mit Melanchthon sagen: Wir haben wahrlich nicht Lust oder Freude an Uneinigkeit.“

Mir geht es nicht um „Heiligenverehrung“, sondern Melanchthon zeigt mir: nur im Dialog ist es möglich, echte Kompromisse zu finden, ohne die Wahrheit aufzugeben. Das müssen heutzutage viele politisch oder religiös Verantwortliche wohl wieder neu bedenken und lernen!

Melanchthon war ein „Brückenbauer“. Zwischen Glauben und Vernunft. Zwischen den Konfessionen. Zwischen der Zeit und der Ewigkeit.