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Denk mal!

Der Kontrast könnte kaum größer sein. Mitten im Zentrum der Mega-Metropole spült es die Besucher an einen Ort, der sie still werden lässt. Bäume spenden Schatten. Ein breiter Vorhang aus herabfließendem Wasser fängt den Blick und schluckt zugleich allen Lärm umliegender Straßen.

Menschen, die hierherkommen, halten inne. Gespräche verstum­men, Schritte werden langsamer. Wer sich auf eine der Bänke setzt, verzichtet darauf, etwas zum Essen aus dem Rucksack zu holen, oder die letzten Nachrichten auf dem Handy zu kontrollie­ren. Stiller Konsens: „Hier passt das nicht.“

Beim Blick in das fließende Wasser fühlen sich Touristen und Einheimische verbunden. Verbunden mit denen, die an diesem Ort gestorben sind. Verbunden aber vielleicht auch in der Frage, was die Lektion ist. Was die Menschheit von diesem Ort lernen kann.

So still wie die Besucher am Ground Zero in New York müssten wir Menschen öfter werden. So nachdenklich, so unterbrochen in unserem Treiben, unseren Gewissheiten, unseren Feindbildern. So verstört von den Bildern. Heute vor 16 Jahren gingen sie um die Welt, und sie haben sich tief in die Er­innerung gegraben.

Am Ground Zero öffnet sich möglich­erweise der Blick auf den eigenen Anteil am Irrsinn unserer Welt, der sich in Gewalt und Hass entlädt, der Angst gebiert und neue Wut. Den Splitter im Auge der Anderen, den sehe ich täglich. Den Bal­ken im eigenen Auge aber entdecke ich nur an solchen Orten, die mich bei der Hand nehmen, damit ich in den Spiegel meiner Le­bens­weise schaue.

So lese ich in den gläsernen Fassaden ringsum die Frage nach meinem Ressourcenverbrauch, nach meinem Einsatz für mehr Verteilungsgerech­tigkeit und gegen die Stellvertreterkriege, die meinen Wohlstand sichern sollen. Ich kann den anderen nicht ändern. Ich kann nur mich selbst ändern. Das stille Monument am World-Trade-Center ist mit den Jahren ein wirk­liches Denk-mal geworden. Es bringt Menschen zum Nach-den­ken. Was will es uns lehren?