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Den Traurigen trösten

Mit den Menschen, die aus einer anderen Kultur zu uns kommen, haben wir natürlich Kommunikationsprobleme. Nicht nur wegen der anderen Sprache. Oder der anderen Religion. Ich meine auch nicht die hinlänglich bekannten Kopftücher. Sie gehen auch anders mit ihren Kindern um als wir. Und Spielzeug hat einen anderen Stellenwert bei ihnen als bei uns. Um mal zwei Beispiele zu nennen, die man erst bemerkt, wenn man versucht, sie auf ihrem Weg in eine neue Heimat zu begleiten. Nicht nur sie begegnen einer  neuen Welt; wir auch.

Und machen dabei manchmal Entdeckungen in unserer alten Welt, auf die wir nicht gekommen wären, wenn uns die Anderen nicht die Augen geöffnet hätten. Wie das kleine syrische Mädchen Massa. Massa wird jeden Morgen von der Frau, die die Patenschaft für ihre Familie übernommen hat, zur Schule begleitet. Auf dem Wege dorthin bringt die Frau ihr die Namen der Bäume bei, an denen sie vorbeigehen. Eines Morgens nun lässt Massa die Hand ihrer Begleiterin los, läuft auf einen dieser Bäume zu und umarmt und streichelt ihn. Auf den erstaunt fragenden Blick der Erwachsenen hin sagt sie: „Das ist doch die ‚Traurige Weide‘! Die tröste ich, so wie du mich tröstest, wenn ich mal traurig bin!“

Dass eine Trauerweide sich „traurig“ fühlt, darauf wäre ich nicht gekommen. Für Massa aber steht fest: „Wenn einer traurig ist, möchte ich ihn trösten“. Egal, wer es ist. Und ich bin sicher, sie macht das nicht nur bei Bäumen so.