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Das Oster-Kaninchen

„Um Gottes Willen“ schreit die ältere Dame, als sie aus dem Fenster schaut und sieht, wie ihr Hund das flauschige Kaninchen der Nachbarskinder am Genick packt und schüttelt.

 

(Spielender Hund)

Schnell läuft sie nach draußen, aber da ist es schon zu spät.

Das Kaninchen ist tot.

 

„Wie soll ich das nur erklären?“ denkt sie.

Kurzer Hand nimmt sie das tote Tier mit ins Haus, macht das Kaninchen vorsichtig mit Seife sauber und föhnt das weiße Fell wieder schön fluffig.

 

(Föhn)

 

In einem unbeobachteten Moment klettert sie über den Nachbarszaun und setzt das Kaninchen ganz behutsam zurück in den Stall. Kaum zurück in ihrem Haus hört sie schon einen schrillen Schrei von drüben.

 

(Schrei)

 

Schnell eilt sie nach draußen.

„Was ist denn passiert?“ fragt sie möglichst unschuldig. „Das Kaninchen!“, schluchzt die Nachbarin. „Letzte Woche haben wir es begraben. Und jetzt – jetzt sitzt es wieder in seinem Stall!“

 

(Tusch)

 

„Lügen haben kurze Beine“, hat mein Opa immer gesagt.

In dieser Geschichte haben sie sogar fluffiges Fell.

Irgendwie tragisch. Irgendwie komisch. Irgendwie absurd.

Und doch sehr viel realer, als ich mir eingestehen will.

 

Föhne ich in meinem Leben nicht auch immer mal wieder tote Kaninchen?

Ja, Manchmal tut die Wahrheit weh.

Manchmal kostet sie wirklich Überwindung.

Und manchmal ist sie sogar ausgesprochen unangenehm.

Raus kommt sie meistens aber trotzdem.

Und am Ende will zumindest ich nicht erklären müssen,

wieso das Kaninchen wieder auferstanden ist.

Und warum es dabei so schön nach Seife duftet.