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Das Nachsehen

An manchen Tagen, da wünsche ich mir, dass ich ein einziges Mal Gott sehen könnte, um mich davon zu überzeugen, dass es ihn wirklich gibt. Dann, wenn sich die Schreckensmeldungen in den Nachrichten überschlagen. Dann, wenn der Schicksalsschlag am heimischen Küchentisch alles ins Wanken gebracht hat. Dann, wenn ich nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll.

Dann wünsche ich mir, dass ich Gott ein einziges Mal sehen könnte. Ein kleiner Beweis, der würde mir ja reichen. Die unwiderlegbare Bestätigung, dass meine Gebete tatsächlich erhört werden. Dass das Hoffen nicht umsonst ist. Dass es da wirklich jemanden gibt, der mich und mein Leben im Blick behält.

In der Bibel aber heißt es dazu: „Mein Angesicht kann niemand sehen. Du kannst mir aber hinterhersehen.“ Und dass, obwohl doch eigentlich keiner gerne das Nachsehen haben will. Und wie funktioniert das eigentlich, Gott hinterherzusehen? Und dann fällt es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen: Das eine Gebet im Krankenhausflur, das Gott scheinbar doch erhört hat. Der eine Sonnenaufgang, der mir gezeigt hat, dass es doch ein Morgen gibt – auch wenn ich’s nicht mehr für möglich gehalten hätte. Und die Kraft, die irgendwoher kam, damit ich doch noch weitermachen konnte.

Gott hinterhersehen. Wer das tut, der entdeckt ganz plötzlich seine Spuren im eigenen Leben. Und dass, obwohl ja wirklich niemand gerne das Nachsehen haben will. Aber bei alldem, was im Leben und in der Welt gerade so los ist, da ist mir ein nachsichtiger Gott eh am Liebsten.