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Das Gesetz des Geistes

Blumenwiese um die Kirche, Kollektoren auf Gemeindehäusern, Gottesdienst im Grünen. All das gehört heute zum Selbstbild unserer Kirchen. Christen treten für die Bewahrung der Schöpfung ein, weil wir alle Teil davon sind und Gott sie uns zur Pflege anvertraut hat. Das ist so selbstverständlich geworden wie das berühmte Amen. Es fehlt auch nicht an Empfehlungen zur Umsetzung in einen entsprechenden Lebenswandel: Regional einkaufen, weniger Plastik, vorösterliches Autofasten. Alles gut.

Die Probleme fangen an, wenn der Urlaub geplant wird: Ab 42 € kann man per Billigflug nach Marokko reisen. Für 436 € nach Bangkok, die Vollpensionspreise dort – ähnlich sensationell günstig. Ein Schwarzwaldurlaub ist teurer. Kann man solchen Angeboten widerstehen? Natürlich wissen wir, dass die Fernreise mehr Klimagas freisetzt als Wellness im Gutachtal. Der Bankokflug legt auf unsere Jahreslast von 10 Tonnen CO2 drei Tonnen drauf. Um das auszugleichen, müsste man sich anstrengen: Kein Fleisch mehr essen, das Haus dämmen, Ökostrom. Sind wir dazu bereit?

Untersuchungen besagen, dass Menschen, die sich für besonders Umweltbewusst halten, nicht weniger Belastung verursachen als andere. Warum? Weil sie meist mehr verdienen. Fernreisen und SUV machen alle Stofftaschen und Bambuszahnbürsten zunichte.

Es ist leicht, über die Klimasünder zu schimpfen, es ist schwer, sich selbst klimagerecht zu verhalten.

Die Lücke zwischen Wollen und Können – sie klafft immer schon. In der Bibel beklagt der Apostel Paulus: „Das Gute, was ich will, das tu ich nicht, aber das Böse, was ich nicht will, das tu ich.“ Unser Verhalten richtet sich mehr nach Gefühl und Gewohnheit als nach Verstandeseinsichten.

Muss es dann also beim moralischen Appell bleiben, der wirkungslos verpufft? So, dass Politiker dann zynisch einhaken können: „Klimaschutz? Ihr wollt ihn ja selbst nicht wirklich…“

Der Apostel Paulus hat das nicht so gesehen. Seine Schlussfolgerung lautet: „Ich diene zwar mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde, aber mit dem Gemüt dem Gesetz Gottes.“ Übersetzt heißt das: Wir können zwar nicht über unseren Schatten springen, wir bleiben oft weit hinter dem Ziel zurück. Aber es gibt noch einen anderen Weg. Und der scheint bitter nötig.

Psychologen sagen: „Die künftige Welt verlangt vom Menschen eine neue Form von Intelligenz, damit er seine Zukunft meistert.“ Das fange an mit der Erziehung. Schon in der Schule sei wichtig, dass nicht nur Fachwissen angehäuft, sondern zugleich kritisches Urteilen gelernt werde. Eigenständiges Denken. Fridays for future zeigt, dass solche Erziehung funktioniert.

Kritik schließt ausdrücklich die Fähigkeit zur Selbstkritik ein.

Wir wollen keine Miesmacher werden und erziehen, sondern Menschen, die um die Verbesserungsbedürftigkeit aller Dinge wissen. Die bei sich selbst anfangen und bereit sind, mit anzupacken. Damit die Welt nicht aus dem Ruder läuft.

Haben wir Lust dazu?

Die meisten sind wohl nur dann zu gewinnen, wenn ein Plus an anderer Stelle für sie herausspringt. Aber: Was toppt die Urlaubsreise in die Karibik? Oder alternativ gefragt: Womit gleichen wir sie aus? So zu denken hilft mehr als Moralisieren. Man kann das „Gefühlsintelligenz“ nennen. Ein Planen, das um die Fallen weiß, die unser unvernünftiges Gefühlsleben uns stellt.

Es lohnt sich. Denn nach dem „Gesetz Gottes“, von dem Paulus spricht, darf diese Welt ihrer destruktiven Logik nicht überlassen bleiben. „Das Gesetz des Geistes hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes“, schreibt der Apostel. Das dürfen wir – gefühlsintelligent  – wörtlich nehmen.