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Das bisschen Schule

Eigentlich arbeiten Pfarrer ja nur sonntags eine Stunde. Aber manchmal gibt’s Ausnahmen. Da muss ich  in die Schule. Zum Religionsunterricht. Nach den Sommerferien kriege ich immer eine neue Klasse. Da müssen sich die Kinder erst mal sortieren: evangelisch, katholisch, sonstiges. Das wird von Jahr zu Jahr schwieriger, denn es gibt nur noch wenige Kinder, die wissen, was sie sind.

Irgendwann hab‘ ich endlich meine neue Klasse beisammen und kann anfangen. Mit dem üblichen Morgenritual: Begrüßung, Lied, Gebet. Ich bringe den Kindern bei, wie das alles funktioniert. Warum werden zum Beispiel beim Beten die Hände gefaltet, warum ist es beim Singen sinnvoll, dass alle zur selben Zeit einsetzen und so weiter.

Dann geht’s los. Die Kinder sollen was von der Tafel abschreiben. Ein Mädchen sagt: Das mach ich nicht. Zuallererst denke ich: Okay, Probleme mit dem Schreiben. Ich frage: Soll ich‘s in Druckbuchstaben anschreiben? Sie sagt: Dann mach‘ ich’s auch nicht. Ich frage: Warum denn nicht? Sie sagt: Ich hab‘ keine Lust. Ich geh‘ jetzt aufs Klo.

Das Kind geht. Die anderen schreiben ab. Das Mädchen kommt zurück und kramt aus seinem Ranzen ein Seil heraus mit einem Stück Holz am Ende. Das schleudert es nun wie ein Lasso. Die anderen Kinder gehen in Deckung. Ich auch. Ich pirsche mich unter dem im Kreis sausenden Holzstück an und will dem Mädchen das Ding abnehmen. Es wehrt sich. Ich versuche seine Finger zu lösen, die krallen sich immer fester um das Seil.

Ich sage: Geh‘ jetzt besser mal hier vorne auf den Platz, dann lenkst du die anderen nicht so ab. Aber das Mädchen will nicht und hält sich am Tisch fest. Die Gelegenheit nutze ich, um mir dieses Seil zu schnappen; ich stopfe es schnell in meine Tasche. Das Mädchen schreit empört auf und will das Ding zurückholen. Auch diese Gelegenheit nutze ich wieder, schnappe das Kind, trage es zum vorderen Tisch und setze es da ab. Das Mädchen ist so verdattert, dass es tatsächlich sitzen bleibt. Die anderen Kinder stöhnen resigniert und sagen: So ist sie immer. Was tun?, frage ich den Klassenlehrer. Der sagt: Da hilft nur ganz viel Liebe.