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Das Band der Einigung knüpfen

Das Reformationsjubiläum neigt sich dem Ende zu. In Saarbrücken laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, um das Jahrhundertereignis angemessen zu beschließen: Mit einem großen Gottesdienst am 30.10., dem Vorabend des Reformationstags. Der Saarländische Rundfunk überträgt den Gottesdienst ab 17:05 Uhr live aus Ludwigskirche. Mit dabei werden dann unter anderem als Gast auch der Bischof von Trier und als Lektorin die saarländische Ministerpräsidentin sein. Die zahllosen Veranstaltungen und Feiern des Jubiläumsjahres haben aber ein anderes Jubiläum überdeckt, das womöglich für die Zukunft von Kirche und Gesellschaft nicht weniger wichtig ist: der 200. Geburtstag der Union von lutherischen und reformierten Christen.

Im 19. Jahrhundert litt König Friedrich Wilhelm III. von Preußen darunter, dass es in seinen Provinzen evangelische Christen lutherischen und reformierten Bekenntnisses gab. Beide Gruppen haben kein gemeinsames Abendmahl gefeiert. Ein Problem, dass auch königliche Familie selbst belastet hat. Das Haus Preußen, zu dem der König gehörte, war Anfang des 17. Jahrhunderts zum Calvinismus konvertiert. Königin Luise aber war lutherisch. Selbst das königliche Paar war also im Abendmahl getrennt. Zum 300. Geburtstag der Reformation 1817 ließ der König deshalb verkünden, man solle sich in eine Union begeben und die Gräben der Geschichte zuschütten. Der König selbst entwarf die Ordnung für den Gottesdienst, die nicht überall in Preußen auf Wohlwollen stieß. Doch beseelt von seinem Unionsgedanken ließ sich der König von keinem seiner Theologen aufhalten.

Saarbrücken ist dem Unionsaufruf des Königs sogar zuvor gekommen. Hier gab es inmitten der lutherischen Pfarreien nur zwei reformierte Gemeinden: Die eine, Ludweiler in Warndt wurde mit ihrer lutherischen Nachbarspfarrei Karlsbrunn zu einer Pfarrei verbunden. Und in Saarbrücken wurde beschlossen, dass sich der Pfarrer der reformierten Friedenskirchengemeinde und sein lutherischer Kollege an der Ludwigskirche gegenseitig assistieren sollen.

Ein schöner Bericht stammt aus der vor langer Zeit abgebrannten Martinskirche in Völklingen. Zum Startschuss der Union am Reformationstag 1817 war der Überschwang demnach so groß, dass sogar katholische Christen zum evangelischen Abendmahl gingen, ja, dass man sich förmlich in den Armen lag. Die Unionsurkunde in Saarbrücken betont, man solle „das Band der Einigung immer fester knüpfen“, und man warb um vertrauensbildende Maßnahmen, um das gemeinsame Ziel der Einheit anzugehen. Die Saarbrücker Union wurde dann zu einem Exportschlager, denn die Pfalz übernahm den Impuls. Nur haben es die Pfälzer besser organisiert, denn der katholische König in Bayern ließ die Hausväter über die Union abstimmen – also eine erste Volksbefragung durchführen. Und nachdem die Bevölkerung „Ja“ gesagt hatte, kam es zur pfälzischen Union, die wiederum die Union in Sankt Wendel beeinflusste. Heute nennt man das „Domino-Effekt“.

Diese ganze Geschichte ist heute fast vergessen, aber der Impuls ist gerade in unseren Tagen wichtig: Die Christenheit in Deutschland sollte das Reformationsjubiläum nutzen und um Vertrauen zueinander werben. Die Herausforderungen unserer Gesellschaft fordern eine einige Stimme des christlichen Glaubens. Gegen den Verlust der Menschlichkeit in vielen Bereichen des Berufslebens, gegen die Distanz der Politik vom Leben der Menschen, gegen die Verrohung der Sprache braucht es die eine klare Stimme, die die Liebe Gottes bezeugt. Und das geht nur in ökumenischer Gemeinschaft, oder wie der Epheserbrief sagt: „bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Menschen, zum vollen Maß der Fülle Christi.“ Das muss das Ziel sein.