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Dableiben, weil Gott mich gerufen hat

Ich finde, die Worte klingen so behaglich: in Obhut sein oder genommen werden. Neulich musste ich es auf der Kinderstation miterleben, was diese Worte in Wirklichkeit bedeuten können. Und das war ganz und gar nicht behaglich. Ich war sprachlos: da bleibt der kleine Junge allein auf der Kinderstation bei den Schwestern, seine Eltern verlassen das Haus, und wir warten zusammen auf das Jugendamt, das den kleinen Jungen in Obhut nehmen wird. „In Obhut nehmen“ ist ein offizieller Akt durch das Jugendamt, wenn Eltern aktuell nicht mehr für ihre Kinder sorgen können. Kinder werden dadurch vor Gewalt und Vernachlässigung geschützt. Niemand macht sich diese Inobhutnahme leicht. Umso mehr schmerzt es. Obhut klingt so bergend und ist doch so herzzerreißend! Für mich war es traurig, als ich damit konfrontiert wurde. Obwohl ich weiß, dass in unserem Land täglich Kinder auf solchen Schutz durch Behörden angewiesen sind.

Dieser Junge, der da in Obhut genommen wurde, hat mich sehr beeindruckt. Er bleibt einfach im Türrahmen stehen. So ein kleiner Mensch in der großen Tür, allein. Sehr tapfer, als seine Mutter weggeht. Und dann fragt er jede und jeden, die vorbeikommen: „Und wer bist Du? Wie heißt Du?“ Auch mich fragt er: „Wie heißt Du?“ Wir sagen uns gegenseitig unsere Namen, ich nenne ihn mal Maxi. Er bleibt stehen, lehnt am Türrahmen und erklärt: „Ich bleibe jetzt hier, da muss ich doch wissen, wie alle heißen.“

„Ja, klar!“, sage ich und denke: „so ein kleiner Mensch und bleibt stehen und spricht mutig große Menschen an.“

Große, unbekannte Aufgabe und allein dastehen und eigentlich nicht mal ahnen, wie es weitergehen könnte. Mir kommt einer in den Sinn, dem es so ähnlich ergangen sein könnte: Josua. Der in der Bibel.

So war das damals, vor tausenden von Jahren: Die Israeliten waren auf dem Weg von Ägypten ins gelobte Land. Da starb ihr großer Anführer Moses. Ein Nachfolger wurde gebraucht. Josua wurde es. Und da stand der kleine, unbedeutende Diener Josua sozusagen im Türrahmen zum Land Israel und wusste nicht, wie es für ihn – ohne Mose – jetzt weitergehen sollte. Als er da so allein vor dem Volk stand, wurde er von Gott in Obhut genommen: „Siehe, ich habe Dir geboten, dass Du getrost und unverzagt seist! Lass Dir nicht grauen und entsetze Dich nicht, denn ich bin mit Dir in allem, was Du tun wirst.“

 

So einen Beistand diesem Jungen irgendwie mitgeben zu können, das wärs doch, denke ich noch, als ich Maxi wieder ansehe. Aber er lächelt nach oben, lehnt weiter am Türrahmen und sagt: „Vielleicht fällt meiner Mama ja mein Name wieder ein, wenn es ihr besser geht. Ich lerne in der Zeit andere Menschen kennen. Dich oder die Krankenschwester und eine andere Familie. Die Namen merke ich mir alle.“

Zu Maxi brauche ich gerade gar nichts mehr zu sagen: er ist schon von Gott gestärkt, das hat er mir gezeigt! Der kleine Maxi hat Gottes Ruf schon längst gehört, so schmerzlich das alles ist, es ist für ihn wohl auch, als ob Gott ihn in Obhut nimmt und ihn beim Namen kennt. So jedenfalls wirkt es auf mich.

Wenn Sie mal einsam, traurig und allein in einem Türrahmen zu einem neuen Land stehen, dann mögen Ihnen Josua und Maxi einfallen. Gott nimmt jede und jeden von uns eben genau da in Obhut, wo es eigentlich herzzerreißend ist: Siehe, ich habe Dir geboten, dass Du getrost und unverzagt seist! Lass Dir nicht grauen und entsetze Dich nicht, denn ich bin mit Dir in allem, was Du tun wirst.