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Brexit

Ganz Europa guckt nach Großbritannien. Heute stimmen die Briten über den sogenannten „Brexit“ ab. Also darüber, ob das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union austritt. In gut vier Stunden schließen die Wahllokale.

Über das Ergebnis der Abstimmung lässt sich daher an dieser Stelle noch nichts sagen. Aber über etwas, das im Vorfeld geschehen ist, müssen wir reden: Heute vor genau einer Woche wurde Jo Cox, die Labour-Abgeordnete des Unterhauses in London, auf offener Straße erschossen. Augenzeugen berichten, der Täter habe bei seinem mörderischen Angriff gerufen „Britain first! Britannien zuerst!“ Das könnte daraufhin deuten, dass er Jo Cox wegen ihrer offenen Einstellung zu Einwanderern und ihrem Eintreten für die Aufnahme syrischer Flüchtlinge umbringen wollte.

Was auch immer seine Motivation war: Möglicherweise hat seine Untat Einfluss auf das Abstimmungsergebnis heute Abend. Nahezu alle Politiker in Großbritannien haben letztes Wochenende in ihrem Wahlkampf erschrocken innegehalten und eine Pause eingelegt. So als hätten alle gespürt, dass die zunehmende Verschärfung der Auseinandersetzung, die Verteufelung des Gegners dem Attentat Vorschub geleistet hat. Schon lange vorher hatte die Abstimmung über den Brexit in den sozialen Medien für Todes- und Vergewaltigungsdrohungen gegen Andersdenkende gesorgt.

Und das ist nicht nur in Großbritannien so. Nobelpreisträgerin Herta Müller sagte letzten Herbst zu Henriette Reker, der Kölner Oberbürgermeisterin, die selbst fast einer Messerattacke zum Opfer gefallen wäre: „Wenn Worte wie ‚Volksverräter‘ und ‚Lügenpresse‘ lange genug spazieren gehen, geht auch mal ein Messer spazieren“.

Worte bereiten Taten vor, legitimieren sie, legen sie nahe. Bereits bei verbalen Auseinandersetzungen tragen wir mit Verantwortung dafür, was andere daraus machen. Die Bibel sagt: „Unsere Zunge ist nur ein kleiner Teil unseres Körpers. Dennoch kann sie ungeheure Wirkungen erzeugen: Schon ein winziges Feuer kann einen ganzen Wald in Brand setzen!“ (Jak 3, 5)