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Bildungsgerechtigkeit

Universitäten kenne ich nur als Besucher. Meine Eltern konnten sich für mich diesen Bildungsweg beim besten Willen nicht leisten. Und ich auch nicht. Also blieb mein Berufswunsch ein Traum. Die Verlegenheitslösung hieß Bankkaufmann. Zugegeben: Es gibt Schlimmeres. Ich hatte ein geregeltes Einkommen. Und der Staat, dessen Bildungseinrichtungen mir damals nur sehr begrenzt offen standen, hat das offenbar auch verkraftet.

Dieser Staat gilt im weltweiten Vergleich als wohlhabend. Er konnte vor einigen Jahren Glücksspieler retten, die als Banken getarnt Milliarden vernichtet hatten. In wenigen Tagen wurden gigantische Rettungsgelder aus dem Boden gestampft. Dann strengt man sich für die Zukunftsinvestition Bildung doch sicher vergleichbar an. Bei der finanziellen Ausstattung des Bildungswesens auf allen Ebenen. Aber auch beim – nicht nur formellen – Zugang für alle, die das Zeug dazu haben. Leider ist auch das nur ein schöner Traum. Denn Statistiken, z.B. der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), zeigen: Menschen mit schwachem sozialen Hintergrund haben auch heute noch deutlich geringere Chancen auf höhere Bildung und sozialen Aufstieg. Schaffen sie es doch bis zur Uni, treffen oft zu viele Studierende auf zu wenige Professoren. Die wiederum müssen neben Forschung und Lehre auch noch Drittmittel akquirieren, also betteln. Und wer als Nachwuchswissenschaftler keine Professur ergattert, wird bis zur Rente immer neu befristet beschäftigt, wenn überhaupt.

 Überfüllte Räume und ärmliche Sachmittel kennt man schon aus der Schule. Wer dort arbeitet, muss in oft zu großen Klassen weitere Lasten verkraften: Integration traumatisierter Kinder, die kaum ein Wort Deutsch können. Kompensation von Sozialisierungsdefiziten. Teilhabe von Kindern mit Behinderungen. Alles richtig und sinnvoll, aber nicht nebenbei zu schaffen. Doch das und mehr verlangt ein Staat, der junge Lehrer vor den großen Ferien in die Arbeitslosigkeit entlässt und danach – vielleicht – wieder einstellt.

„Gerechtigkeit erhöht ein Volk!“ heißt es in der Bibel. Wenn es um Bildungsgerechtigkeit geht, stimmt das sogar in einem ganz weltlichen Sinn. Bleibt das ein Traum? Ich fürchte schon. Denn wie soll unser armes reiches Land das schaffen?